Geschichte des Dorfes Märzdorf am Bober   Seite 8               

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                   Aus der Geschichte des Dorfes
                    Märzdorf am Bober
                          im Kreis Löwenberg in Schlesien
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Die letzten Kriegswochen in Märzdorf am Bober                                 Bericht von Oswald Stelzer, Scholtisei (Auszug).

"Nach dem teilweisen Zusammenbruch der deutschen Ostfront im Januar 1945, schob die Rote Armee unerwartet schnell ihre Front bis an die Linie: Boberkatzbach-Gebirge, Liegnitz, Goldberg und Löwenberg heran. Als am 14. Februar 1945 überraschend eine russische Abteilung in Siebeneichen, 3 km von Märzdorf a.B. entfernt, einbrach, drohte unserem Dorf die Gefahr der russischen Besetzung. Einer schnell zusammengestellten deutschen Truppeneinheit  -eine feste deutsche Front bestand noch nicht- gelang es von Märzdorf aus, die Russen im Gegenangriff am späten Nachmittag des 15. Februar aus Siebeneichen wieder hinauszuwerfen. Weitere russische Angriffe unterblieben daraufhin. Die Hauptkampflinie verlief  dann unweit der Märzdorfer Gemarkungsgrenze und wurde bis zur völligen Kapitulation der deutschen Wehrmacht am 08. Mai 1945, trotz häufiger örtlicher Gefechte, kaum mehr verändert. Sieben bei den Siebeneichenern "Siebenhäusern" gefallene Soldaten wurden am 20. Und 24. Februar auf dem Märzdorfer Kirchhof beerdigt.

Am 07. März mußte das Dorf  der Frontnähe wegen, geräumt werden. Die meisten begaben sich im Treck nach Klein-Röhrsdorf, Langwasser und Mühlseiffen. In den letzten Märztagen und im April mußten die Bauern zurück zur Feldbestellung. Während Kartoffeln gelegt wurden, heulten die Granaten der Russen aus Zobten und die der Deutschen aus Lähn über unsere Köpfe. Die Front bewegte sich aber nicht.

Am Abend des 07. Mai 1945 verließ plötzlich die kurz zuvor nach Märzdorf verlegte SS-Einheit, ihren Standort. Am 08. Mai 1945 kapitulierte die deutsche Wehrmacht. Alle Dorfbewohner wurden aufgefordert, sich zu ihren etwa 15 km entfernten Trecks in Langwasser und Mühlseiffen zu begeben. Nur ein Pionier-Sprengkommando blieb zurück, mit dem Auftrag, alle Brücken zu sprengen und um Baumsperren und Minen zu legen. Einige Dorfbewohner blieben. Sie waren der Meinung, wir haben niemandem Unrecht getan, dann werden uns die Russen auch nichts tun. Aber in der Dorfmitte beim Scholz-Fleischer gab es eine unerwartete Schießerei, offenbar zwischen den abziehenden Pionieren und den einziehenden Russen. Ein Russe wurde getroffen. (Im Garten von Richard Rothe liegt dieser beerdigt.) Aufgebracht über diesen Feuerüberfall, nahmen die Russen Hausdurchsuchungen vor, unter anderen auch bei Josef Titz, Fiebig Rothe und Paul Hubrich. Unter Tränen, Bitten und Hinweisen auf das deutsche Sprengkommando, ließen sich die Russen besänftigen. Die verbliebenen Dorfbewohner hielten sich in den Häusern. Die russischen Fronttruppen zogen bald weiter Richtung Karlsthal. Am 10. Mai kamen nach schwierigen Umwegen, die Dorfbewohner vom Treck wieder zurück, voll Hoffnung, jetzt endlich alles überstanden zu haben.

Ein etwas deutsch sprechender russischer Kommandant mit 2 Adjutanten, wohnte im Mai/Juni bei uns in der Scholtisei. Bei seinem Weggang am 22. Juni 1945 sagte er meinen Eltern, meinem Bruder und mir:  "Wir (Russen) jetzt weg.- Sie sprechen, das ist gut, aber es kommt polnische Verwaltung. Sie werden dann sprechen: Polen noch schlechter."  Er hatte recht!

Völlig unerwartet traf im Dorf am Sonntag, dem 24. Juni 1945 ein polnisches Militärkommando ein und begann sofort mit der "Wilden Vertreibung". Innerhalb weniger Minuten mußten die Märzdorfer ihr Dorf räumen. Nicht einmal mit dem notwendigsten Gepäck versehen, wurden wir Hals über Kopf rausgejagt. Zu Fuß mußten wir in Richtung Görlitz  ziehen auf die Westseite der Neiße. Die Polen wollten offenbar in Ruhe alles durchplündern und, in Vorbereitung auf die Potsdamer Konferenz (17. Juli - 02. August 1945), der Welt vorführen, daß alle Ortschaften östl. von Oder und Neiße leer (ohne deutsche Bewohner) seien".

 

Ein Brief in Rückerinnerung an diese "Wilde Vertreibung":

Liebe Marianne! Ich kann es verstehen, wenn Du mit Deinen Gedanken oft daheim in Märzdorf bist. Ich träume ja auch viel von daheim. Gewöhnlich sind Polen dabei und wollen uns wieder rausschmeißen. Das ist einem so in die Nerven gefahren, daß man es nie wieder vergessen kann, was man da so erlebt und durchgemacht hat, diese Angst und das Fortmüssen von zu Hause. Ich war gerade ganz allein zu Hause, als ich raus mußte. Ich wollte doch auf keinen Fall ohne Gerhard und Alfons fortgehen. Alfons war diesen Sonntag mit den beiden Jungen von Gaubitz Paul nach Hohndorf zu Tante Klara gegangen. Ihr Haus war abgebrannt, da es im Frontgebiet lag. Gerhard war bei Bauer Schweinichen. So bin ich in meiner Angst im Dorf runter, statt rauf gelaufen. Bei Puschmann Emil jagte mich ein Pole wieder zurück. Da bin ich noch einmal in unser Häuschen gerannt und habe die Wertpapiere im Schuppen schnell rausgesucht. Man mußte ja alles verstecken. Unterdessen kam Gerhard mit seinen Krücken. Weil er nichts tragen konnte, sagte er: Mutter, wir wollen den Handwagen nehmen. So konnten wir den Rucksack mit etwas Wäsche und einem kleinen Koffer mitnehmen. Die Polen hausten gerade noch bei Euch oben herum. Wir hörten, daß Schüsse fielen. Da wurde unsere Angst noch größer!

Mir kommen heute noch die Tränen, wenn ich daran denke. Als wir bis zum Puschmann Josef waren, kamen, Gott sei Dank, die beiden Jungen barfuß nachgerannt. Wir hatten kein Bett- zeug, keine Decke und kaum ein Hemd zum wechseln.             

Gruß! Josef und Emma Kurz.

Trotz solcher Erlebnisse, kamen die meisten von der westlichen Seite der Neiße wieder zu-rück, nachdem sie dort die unvorstellbare Not, das Fehlen von Lebensmitteln, vor allem das Fehlen von Kartoffeln und  Brot erlebt  hatten. Wo sollten sie auch hin? Keiner wollte sie haben. So setzten sie alles daran, wieder nach Märzdorf in ihre Heimat zurückzukommen und das, obwohl sie dort wieder Todesängste und grundlose Verprügelungen erwarteten.

Bericht: "Als ich (Marianne Stelzer) einem Polen nicht zu Willen war, ich hatte Angst vergewaltigt zu werden, schoß dieser aus etwa 30 m Entfernung nach mir, wie man eben auf Hasen schießt.  Ich rutschte mit meinem Lungendurchschuß den steilen Abhang hinunter, während ich meine Hand auf die Austrittswunde der Kugel drückte, um nicht zuviel Blut zu verlieren. Zum Glück kam Rosa Weipert auf der Straße vorbei und fand mich dort bewußtlos liegen. Sie holte Frau Lange und meinen Bruder. Auf einer Leiter trugen diese mich in mein Elternhaus, wo mich die Ordens- Krankenschwester notdürftig behandelte. Pfarrer Pätzold aus Dippelsdorf gab mir  die letzte Ölung."

"Mein Vater Oswald Stelzer wurde mehrmals grundlos furchtbar verprügelt und auch ins Gefängnis nach Löwenberg gebracht, wo er schwere Mißhandlungen erlitt. Johann Knobloch aus Märzdorf war zur gleichen Zeit sein Leidensgefährte in Löwenberg. Am 23. Dezember 1945 wurde unsere Mutter von Soldaten gezwungen, total verdreckte Unterwäsche zu waschen. Diese sollte an einem Tage gewaschen und getrocknet sein, was bei den gegebenen Umständen unmöglich war. Daher wurde am Heiligen Abend Vater plötzlich abgeholt, schwer verprügelt und über Weihnachten in einem kalten Gewölberaum eingesperrt. Im Frühjahr 1946 wurde Vater wieder einmal blutig geschlagen und in einem dreckigen Hühnerstall ohne Essen eingesperrt, wo er auf dem Zementfußboden hocken mußte. Die Mutter von Josef Feige wollte ihm durch ein Fenster Suppe bringen. Das hatte ein polnischer Milizer beobachtet. Dafür wurde sie eine Zeit lang in einem Schweinestall eingesperrt.

Diese und noch viele andere Schikanen haben wir 1945/46 unter den Polen erlebt, -nicht aber  unter der russischen Besatzung."                                                                                     

M. St.

Ohne jeglichen Grund schlugen die oft betrunkenen Polen in übelster Weise auf Deutsche und mißhandelten sie aufs gröbste. Rauben und Plündern war an der Tagesordnung. Eigenartig war, eigene Kleidungsstücke am Leibe eines poln. Kirchenbesuchers zu entdecken.

Im Mittelalter wurden Menschen, die so rechtlos waren wie die Ostdeutschen damals nach 1945 unter der Herrschaft der Polen, für "vogelfrei" erklärt, das heißt, niemand durfte sie unterstützen  oder beherbergen und jeder konnte sie straflos töten. Das war für viele Ostdeutsche Anlaß genug, zu sagen: Das halte ich nicht mehr aus. Derweil hingen an den Litfaßsäulen Plakate: An die Bevölkerung Niederschlesiens, mit Sätzen wie diesen: Die mit Gewalt und Hinterlist germanisierte slavische  Bevölkerung wird von mir betreut und ihr die Möglichkeit gegeben, zum Polentum zurückzukehren, für das die besten Töchter und Söhne dieser urslavischen Gebiete geblutet haben. Unterzeichnet waren diese Texte vom Beauftragten der Republik Polen: Mgr. Stanislav Piatkowski. Im April 1945.

Verschwiegen wird dabei, daß es slavische Piasten-Herzöge waren, auch der Sohn der hl.Hedwig v. Schlesien, Heinrich II., die um 1200 n.Chr. deutsche Siedler nach Schlesien riefen, um dieses kaum, zumindest aber nur schwach besiedelte Land zu roden, zu bebauen und so für Menschen nutzbar zu machen. Nicht ungenannt soll hier der polnische Herzog Konrad von Masovien bleiben, der den "Deutschen Ritterorden" in das Gebiet des heutigen Danzig-Ost- preußen, gegen die heidnischen Pruzzen zu Hilfe rief.

Nur Wahrhaftigkeit kann gegenseitiges Verständnis schaffen.

  

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