Malediven


Eine Girlande aus zweitausend Inseln, teils aus grüner Vegetation, teils aus weißen Sandzungen bestehend verstreut im Indischen Ozean westlich von der Südspitze Indiens: das sind die Malediven. Wenn man das letzte Atoll der Malediven und den Chagos-Archipel hinter sich gelassen hat, könnte man auf dem 73. Längengrad südwärts bis in die Antarktis fahren, ohne wieder auf Festland zu stoßen. Das Meer ist der entscheidende Faktor im Leben der Malediven, auch wenn man den Ursprung dieser Inseln in der Tiefe und in der fernen Erdgeschichte suchen muß. Zunächst scheint es nichts Gegensätzlicheres zu geben als den Himalaya und die Koralleninseln der Malediven. Beide jedoch verdanken ihren Ursprung der nordwärts gerichteten Wanderung der Indischen Platte. Nach einer 20 Millionen Jahre währenden Drift stieß sie auf Asien und faltete dabei den bis 8000 m hohen Himalaya auf. Auf ihrer Reise durch den Ozean hinterließ die Platte auch eine Reihe vulkanischer Inseln, deren Küsten bald von Korallen besiedelt wurden. Das war jedoch nur die erste Etappe. Diese Vulkaninseln stellten ihre Aktivität ein und begannen im Meer zu versinken, während neue Korallen auf den fossilen Resten ihrer Vorgänger wuchsen. Der lebendige Teil der Riffe blieb somit nahe der Wasseroberfläche. Generation um Generation wuchsen die Steinkorallen übereinander. Dies hatte schon Darwin vermutet, doch der Beweis dafür gelang erst in der Mitte unseres Jahrhunderts. So umgibt eine Schicht Korallenkalk ringförmig und mehr oder minder kontinuierlich den alten Vulkan, der zu einer Lagune wurde. Auf diese Weise entstanden die Atolle. Dieser Begriff stammt vom maledivischen Wort atholu.

Die Atolle der Malediven setzen sich aus zahlreichen kleineren Atollen (faru) zusammen; sie sind durch Kanäle (kandu) voneinander getrennt, die eine Verbindung zwischen dem Ozean und den Lagunen herstellen. Der Hauptunterschied zwischen Atoll und Faru hängt nicht von der Dimension ab, denn es gibt Atolle, die kleiner sind als ein Faru und gleichzeitig enorme Atolle, wie etwa Huvadhoo oder Suvadiva, der 74 Kilometer lang und 65 Kilometer breit ist. Entscheidend ist vielmehr die Art des Untergrundes. Die Atolle erheben sich tatsächlich vom Meeresboden, während die Faru auf dem Untergrund der Atolle stehen. Auf einer Karte der Malediven bemerkt man, daß die Atolle von Norden nach Süden ihre Form verändern. Es folgen bandförmige, hufeisenförmige und aus länglichen oder kreisrunden Faru bestehende Atolle aufeinander. Die Unterschiede beruhen auf der wechselnden Wachstumsgeschwindigkeit der Korallen, auf der Einwirkung der Monsune sowie periodisch auftretender Winde. Sie regeln das Klima in dieser Region: Im Sommer wehen sie von Südwest, im Winter von Nordost. Der jahreszeitliche Wechsel dieser Faktoren führt zur symmetrischen Entwicklung einer Doppelreihe von Atollen. Durch den Wechsel der Windrichtung werden die Korallen weder der einen noch der anderen Richtung begünstigt.

Die Malediven sind aber viel mehr, und es fehlen einem fast die Worte, um sie zu beschreiben. Angesichts der Farben in diesen Atollen muß man von einem lebenden Laboratorium sprechen. Alle Besucher sollten sich dessen bewußt sein, daß hier ein ein austariertes Gleichgewicht herrscht. Die Oberfläche über dem Meer macht noch nicht einmal 300 Quadratkilometer aus. Durch den Treibhauseffekt besteht tatsächlich die Gefahr, daß der Meeresspiegel zu schnell steigt und die Malediven letztlich verschwinden.