Ausgesetzt auf einem Meer aus Kerzen
Eine Riesenparty mit nachdenklichen Momenten: Herbert Grönemeyer in der Frankfurter Festhalle

 
Vom 25.11.1999  
Von

Michael Bermeitinger

Er hat sich voll reingehängt, malocht, sich verausgabt – bei seinem VfL würde man das als Arbeitssieg feiern. Dass der große Glanz fehlte, war aber nicht Schuld von Herbert Grönemeyer. Die Blechbüchsen-Akustik der Frankfurter Festhalle war einmal mehr des Sängers Fluch, zerquetschte die Stimme zwischen Bass, Gitarre, Keyboards und Schlagzeug. Schade, gerade bei einem wie ihm, dessen Texte zum Besten gehören, was Deutschrock zu bieten hat, bei dem es lohnt, hinzuhören. Zum Glück waren die 12000 Fans zumindest bei den Hits textsicher, machten im Doppelpass mit Herbie das Tourneefinale zur fröhlichen Riesenparty.

Nach den Schicksalsschlägen des vergangenen Jahres, als er in kurzer Zeit seinen Bruder, dann seine Frau Anna Henkel durch Krebs verlor, hatte sich Grönemeyer nur zögerlich in die Öffentlichkeit und zurück auf die Bühne gewagt. Vielleicht war es die Anteilnahme seiner Fans, die ihm die lodernde Leidenschaft des Live-Rockers zurück gab, die ihn aber auch positiv veränderte: Die früher gern zur Schau getragene Unnahbarkeit ist freundlicher Offenheit gewichen. Unermüdlich schüttelt er entgegengereckte Hände, freut sich über Geschenke und Blumen, schreibt sogar Autogramme.

Den musikalischen Bogen spannt Grönemeyer über fast 20 Jahre. Vom 1980er „Ich hab dich lieb“ und „Musik nur wenn sie laut ist“ über das Bochum-Album mit allen Brechern bis hin zu „Bleibt alles anders“. Dass von der neuen Platte einiges untergeht, liegt nicht allein am unverständlichen Gesang. Manches ist zu duster („Fanatisch“), zu rauh („Selbstmitleid“) oder einfach zu wenig tanzbar.

Ganz anders die Reaktion auf das aktuelle „Nach mir“. Den Text, den Grönemeyer noch mit seiner Frau verfasst hatte, kennen die meisten, fühlen mit, wenn er singt „Du setzt mich aus auf einem dunklen Meer, schwimmst nicht mehr hinterher, hast dich weggestohlen“ƒ Das Lied löst mutmachende Ovationen aus. Es ist so eindeutig wie kein anderes – wenn auch viele Zeilen alter Lieder nun eine neue, traurige Bedeutung haben. Doch das merkt man Grönemeyer nicht an, zumindest nicht aus der Entfernung, und Videowände mit Großaufnahmen gibt es nicht. Vielleicht besser so.

Der Deutschrocker zelebriert ohnehin am liebsten das Spektakel vorn an der Rampe, das Zusammenspiel mit dem Publikum, das er animiert und dirigiert, das ihm seine Texte entgegenbrüllt. Wenn dann tausende Frauen „Männer“ schreien und eine ganze Halle mitten in Hessen „Bochum ich komm aus dir“ schmettert – dann übt sich der Schmächtige mit charmanter Selbstironie in großer Geste, ballt Fäuste, breitet seine Arme aus. Und peitscht sich selbst nach vorn, zweieinhalb Stunden lang. Er rennt unermüdlich, hüpft und versucht sich noch in allerlei anderen Ausdrucksformen. Er tapst den „Mambo“ und schaukelt den „Vollmond“ – tanzen kann Herbie halt immer noch nicht.

 

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