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Der Spiegel Online
 

Ein Abkömmling aus Sudweyhe

US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld suchte in den siebziger Jahren seine familiären Wurzeln nahe Bremen - und war bei deutschen Politikern sehr beliebt.

An den Tag, als der Fremde vorsprach, erinnert sich Margarete Rumsfeld, 85, noch genau. Es war Sommer 1972, das Telefon klingelte, eine Freundin von der Gemeindeverwaltung war am Apparat: "Da kommt gleich ein amerikanischer Tourist und will euch besuchen!"

Fünf Minuten später hielt ein heller VW Käfer vor dem Haus in der Ortschaft Weyhe-Sudweyhe bei Bremen. Herausstieg ein Mann mit karierter Hose, offenem Hemd und einem breiten Lachen. "Hello, my name is Donald Rumsfeld", rief er strahlend den deutschen Rumsfelds zu und blickte in fragende Gesichter - denn keiner der Dorfbewohner verstand Englisch.

Es war trotzdem ein bewegender Tag: für Donald, weil eine jahrelange Recherche ihn endlich zu den Wurzeln seiner Familie geführt hatte, und für das Ehepaar Margarete und Diedrich, weil sie sich unversehens mit einem ziemlich glanzvollen Verwandten schmücken konnten.

Denn der heutige US-Verteidigungsminister war schon damals ein bekannter Politiker: Im November 1972 wurde der frühere republikanische Abgeordnete des Repräsentantenhauses zum Botschafter bei der Nato in Brüssel berufen. Gern wäre der ehrgeizige Mann mit der Pilotenbrille sogar - wie er einem deutschen Diplomaten anvertraute - eines Tages selbst Präsident geworden. In seinem Nato-Büro betrieb er nebenher Ahnenforschung, was die Bonner Abgesandten halb amüsiert, halb geschmeichelt registrierten.

Der Familie des Sudweyher Maurermeisters Rumsfeld blieb der prominente Gast ein wenig fremd. Nur eine Geste kam ihnen vertraut vor: der pickende Zeigefinger, den der amerikanische Vetter beim Reden immer wieder vorschnellen ließ - ganz wie Vater Diedrich.

Für das Land seiner Ahnen zeigte der Senkrechtstarter aus Chicago im Bundesstaat Illinois, der kürzlich mit beißendem Spott über das "old Europe" ein politisches Beben ausgelöst hat, große Sympathie. Nach der Erinnerung seines damaligen Bonner Nato-Kollegen Franz Krapf war Rumsfeld ein ausgesprochener "Freund unseres Landes". Keine bohrenden Fragen zur Nazi-Zeit seien ihm über die Lippen gekommen; Misstrauen gegen die neue Ostpolitik Willy Brandts habe er nicht erkennen lassen, sagt Nato-Botschafter a. D. Krapf, 91, über den 20 Jahre Jüngeren.

In Illinois hat fast jeder Dritte deutsche Vorfahren, auf Bockbierfesten wird bei Sauerkraut und Bratwurst die Tradition der Ahnen gepflegt.

Diese lassen sich bei der Familie von Donald Rumsfeld weit zurückverfolgen. Ururgroßvater Hermann brach nach dem Tod seiner Frau Wübke die Zelte in Sudweyhe ab, verkaufte seinen Hof auf der Brinksitzerstelle Nr. 43 und wanderte mit den sechs jüngsten Kindern 1866 nach Amerika aus. Sein zweiter Sohn, der auch Hermann hieß, ist Donalds Urgroßvater.
Für ihre deutschen Vettern haben sich die US-Rumsfelds stets interessiert. Ein Nachfahre der weit verzweigten Sippe, Alfred, hatte sich in den USA schon Anfang des vorigen Jahrhunderts auf die Suche nach den deutschen Wurzeln seiner Familie gemacht und eine Familienforschungsgesellschaft gegründet: "The Rumsfeld Clan". Wahrscheinlich hat Donald von ihm den entscheidenden Tipp bekommen.

Er schaute dann noch öfter in den siebziger Jahren in Sudweyhe vorbei. Vier Wochen vor einer Visite inspizierten dann Sicherheitsleute das Haus, registrierten, wann der Milchwagen kam und welche Autos in der Straße parkten. Da war der Politiker schon einmal Pentagon-Chef, unter Präsident Gerald Ford.

Nun hielten gediegene Limousinen vor dem Einfamilienhaus. Donald, im Anzug, setzte sich mit Gattin Joyce an den gedeckten Tisch und verspeiste genüsslich Hochzeitssuppe und Schweinebraten. "It was a great pleasure to be here", schrieb er den stolzen Hausherren ins Gästebuch. Alt-Europäer Diedrich Rumsfeld revanchierte sich mit einer weitsichtigen Rede: "Wir wünschen uns, dass Sie in Ihrem Amt dazu beitragen mögen, die Spannung unter den Menschen aller Völker abzubauen."

In jenen Jahren war es um das deutschamerikanische Verhältnis gut bestellt. Dass am Rhein die Sozialdemokraten regierten, war für den konservativen Minister kein Problem. Sein deutscher Kollege Georg Leber (SPD) schwärmt noch immer von der "erstklassigen Zusammenarbeit". Der heute so rüpelige Amerikaner "hat mich nie spüren lassen, dass ich der Verteidigungsminister eines kleineren Landes war", sagt Leber, 82.

Kein Wunder, denn zu Zeiten Helmut Schmidts war die Bundesrepublik lange Jahre der Vorzeige-Alliierte der Vereinigten Staaten. Leber stockte das Heer um drei Brigaden auf; Westdeutschland hatte die höchsten Verteidigungsausgaben unter den europäischen Verbündeten. Dies sei ein "bedeutender und überaus wertvoller Beitrag", lobte Rumsfeld.

Für die Kollegen von einst fand der Hardliner noch vor kurzem nur gute Worte. Als Botschafter a. D. Krapf im Sommer vergangenen Jahres auf einen Plausch in Washington vorbeischaute, schrieb der Sudweyher Abkömmling sogleich einen freundlichen Gruß an Leber nieder und bat Krapf, den Zettel doch weiterzuleiten.

Und zunächst war Rumsfeld auch gewillt, Lebers Genossen Peter Struck in politische Sippensympathie zu nehmen. Von dem heutigen deutschen Wehrminister, erzählt Krapf, habe sich der Amerikaner durchaus "beeindruckt" gezeigt. Das war allerdings vor der rot-grünen Stimmungsmache gegen die Bush-Administration.

Jetzt droht die Weltpolitik auch die zarten Familienbande über den Atlantik zu zerreißen. "Für uns ist das nur noch der Verteidigungsminister", sagt Margarete Rumsfeld kühl. "Und der soll um Gottes willen keinen Krieg anfangen."

PER HINRICHS, KLAUS WIEGREFE