Militanter Antifaschismus

Die Schlacht von Waterloo

Ein wesentlicher Teil des Kampfes gegen Faschismus ist es aus den Erfolgen und Fehlern der Vergangenheit zu lernen. Deshalb beschäftigen wir uns im folgenden mit einem Ereignis aus dem September 1992, als sich die Nazi-Musik-Organisation Blood & Honour, unterstützt von Faschisten und einigen Fußballclubs, in Waterloo trafen.

Am Samstag, den 12.September 1992, erlebte die extreme Rechte Großbritanniens ihre seit Jahren größte Demütigung, was später bekannt wurde als "Schlacht von Waterloo".
Wichtig ist dieses Ereignis auch für uns hier in Deutschland, zumal die Schlacht von Waterloo auch auf die deutsche Boneheadszene ihre Rückwirkungen hatte. Damit ließ sich bestimmt nicht prahlen und der Ruf der stolzen weißen Krieger und Herrenmenschen dürfte auch einen gehörigen Knacks bekommen haben.
Die Nazi-Musik-Gruppe Blood Honour kündigte öffentlich an, daß sie einen Gig mit Skrewdriver in London organisieren würden. Zusätzliche "Unterstützung" gab' s durch die British National Party (BNP) und die British National Socialist Party. Waterloo war ausgewählt worden als Treffpunkt. Der Gig wurde gesponsert von einem Mainstream Veranstalter ( gerüchteweise war es John Kurd). Es war von der extremen Rechten als eine Art Kraftprobe geplant, danach sollte der Weg frei sein von spürbarem und ernstzunehmendem Widerstand, man erhoffte sich das politische und finanzielle Potential von Blood & Honour einige Schritte vorwärts zu bringen. Bezeichnenderweise tauchten sogar Hunderte von Kilometern entfernt in Newcastle und Edinburgh Plakate auf, und es wurde sogar in Europa darüber berichtet. Doch ungeachtet dessen scheute sich die antifaschistische Bewegung in England diese Provokation an- und vor allem ernstzunehmen.
Weniger als zwei Wochen davor kündigte die Anti-Nazi-League (ANL) einen Marsch an - in Thornton Heath! Weniger als eine Woche zuvor ergriff die Antifascist Action (AFA) die Initiative und nahm die Herausforderung an. An einem regnerischen bei einem Unity Carnival in Hackney wurden Tausende von Antifaschisten über die Bedeutung dieses Ereignis aufgeklärt und live durch Bands wie The Blaggers und 15.000 verteilte Flugblätter zu einer Demo aufgerufen.
Am Donnerstag, den 10.September, zwei Tage vor dem geplanten Nazi-Konzert gab AFA eine Presseerklärung heraus, in welcher der Sprecher, Eamonn Kent, die erwartete Situation folgendermaßen analysierte. Er sagte: "Es wird friedlich über die Bühne gehen, wenn man uns läßt, aber wir stehen der Aussicht auf körperliche Auseinandersetzung gelassen gegenüber und am Ende kann es gut sein wie die Schlacht von Waterloo." Diese Worte sollten sich nun bewahrheiten.

"Verluste"

Auf dem Höhepunkt der Auseinandersetzungen waren nicht weniger als fünf zentrale Londoner Bahnhöfe, eingeschlossen Charing Cross und Waterloo, geschlossen. Zusammengefaßt wurden 200 Rechte von der Polizei behütet auf der Waterloo Bridge, was den Verkehr für über eine Stunde zum Stillstand brachte. es wurden 44 Menschen inhaftiert, hautsächlich Antifaschisten, und es gab etliche "Opfer", hauptsächlich Faschisten, die ärztliche Versorgung brauchten.
In den Nachrichten am nächsten Tag beschrieb das ein Polizist folgendermaßen: " Custers letzte Stellung"! Eine AFA Presseerklärung am selben Tag bezeichnete den Tag als Sieg: "Waterloo war eine taktische Schlacht zwischen uns und der extremen Rechten, uns und der Polizei. Gestern haben wir gewonnen. Einmal war die Polizei gezwungen einen Bahnhof zu schließen, weil dieser Bahnhof aufgrund unserer zahlenmäßigen Überlegenheit unter unserer Kontrolle war."
"Die Schlacht für Waterloo war eine Wasserscheide im Kampf zwischen den Anhängern der Linken und der Rechten überall in Europa...Die Taktik, welche die Anti-Nazi Liga und andere liberale anti-rassistische Gruppen favorisierten sind durch den gestrigen Sieg überflügelt."

Die eigentliche Geschichte

Als die Poster, die verkündeten "Skrewdriver Back in London" zuerst fünf Wochen vor dem geplanten Konzert gesichtet wurden, reagierten AFA Anhänger mit Skepsis auf diese Plakate. Der hauptsächliche Grund war, daß Skrewdriver schon seit drei Jahren nicht versucht hatte in London zu spielen.
Außerdem hatten sie ihre Konzerte nie zuvor öffentlich bekanntgegeben.
Beim letzten Versuch am 27.Mai 1989 war ihr Hauptaugenmerk darauf gerichtet gewesen, das Ereignis still und heimlich durchzuziehen. Karten konnten nur per Post bestellt werden. 1.200 wurden im Voraus in ganz Europa verkauft.
Das Versprechen von Blood & Honour war "Geld zurück bei Nichtgefallen". Es war den Anstrengungen von AFA zu verdanken, daß lediglich 300 Faschisten das Konzert verfolgen konnten. Blood & Honour brach zusammen. So zögerte verständlicherweise AFA , weil man an ein gut ausgearbeitetes Täuschungsmanöver glaubte, während dies andere in der anti-rassistischen Bewegung aus weniger akzeptablen Gründen taten.

Prahlerei

Am Freitag, den 11.September, erzählte Neil Parish, einer der Blood & Honour Organisatoren, den Medien er würde erreichbar für Interviews in der Schalterhalle von Waterloo um 16.30 Uhr sein. Auf die Frage eines Reporters der Sky News, wie er denn zu finden sei, antwortete dieser, er erwarte zwischen 1.000 und 2.000 oder so. "Es wird keine Schwierigkeit uns zu finden"! 16.30 Uhr war dann auch die Zeit, zu der AFA plante dort aufzutauchen.
Um 15.20 Uhr erschienen 150 Sicherheitskräfte, fünf Minuten später die ersten drei Boneheads auf dem Bahnhof, die sogleich merkten, daß sie diese Nacht die Opfer sein würden. So begann die Schlacht von Waterloo.
Anfänglich versuchten die Ordnungskräfte die "politisch motivierten" von den gewöhnlichen Reisenden zu trennen. Antifaschisten wurden wie auch die Faschisten - eher widerstrebend - zu den Ausgängen begleitet.
Unvermeidlich wurden die Faschisten draußen angegriffen. Als die Polizei rauskam um zu intervenieren, krachte es auch mit ihr. Dieses Katz-und-Maus-Spiel zog sich etwa eine Stunde hin.
AFA strebte zu diesem Zeitpunkt nicht die körperliche Gewalt mit den verstreuten Gruppen von Faschisten an, sondern man versuchte den Bahnhof zu besetzen. Solange wir den Bahnhof halten würden, würde dies der Anlaufpunkt für unsere Leute sein und als Treffpunkt für die Faschisten unbrauchbar.
Um 17.00 Uhr waren schätzungsweise zwischen 800 und 1.000 Antifaschisten in der Bahnhofshalle. Rangeleien und kleine Handgemenge begannen; immer und immer wieder im ganzen Bahnhof. Zuerst mit Faschisten, dann mit der Polizei.
Die Polizei verlor ganz klar die Kontrolle. Der Bahnhof wurde um 17.25 Uhr geschlossen. Die Schlacht um den Bahnhof Waterloo war gewonnen, die Schlacht um die Straße hatte grade begonnen.
Frei von irgendwelchen Hemmungen krachte es trotz der Existenz von Überwachungskameras im Bahnhof und in den Seitenstraßen. Eine 50 köpfige Gruppe von Rechten wurde in der Nähe einer Fußgängerbrücke aufgehalten. Umrundet von Dutzenden Polizisten waren sie gezwungen zur Machtprobe - aber nur beinahe. Als Steine und Flaschen auf sie herabregneten und die antifaschistischen Angreifer vorrückten, versuchten einige Faschisten auszubrechen und wegzukommen. Ein Bulle schrie: " Wenn ihr rennt, rennen wir verdammt nochmal mit"!
Vor dem Bahnhof wurden einige einzelne und Grüppchen von Faschisten, einige zu Fuß, andere mit dem Auto, schnell aufgegriffen. Zu dieser Zeit hatten vier weitere Bahnhöfe in unmittelbarer Nachbarschaft, darunter auch Charing Cross, "wegen Krawalle geschlossen".

Chaos

Eine große Anzahl von Boneheads kamen zu Fuß bei der Fußgängerbrücke an und ließen die Anzahl der Faschisten auf 150 anschwellen. Zu dieser Zeit war alles ein riesiges Chaos. Fußballfans von Arsenal, QPR Chelsea und Millwall vermengten sich zudem mit Faschisten und Antifaschisten. Viele trugen die Farben ihrer Mannschaft und unterstützen je nach ihrer Überzeugung die eine oder andere Seite.
AFA Unterstützer mischten sich fröhlich unter die Gegner, schrien "Sieg Heil!" und provozierten Hauereien mit den Faschisten. Scharmützel häuften sich, Flaschen und Steine flogen in die Menge aus Polizei und Faschisten. Die Polizei war sichtlich beunruhigt. Sie wollten verzweifelt ihre Eskorten holen, aber die Bahnhöfe waren alle geschlossen und die Faschisten selbst hatten auch keine Idee wo der Treffpunkt war. Es sickerte durch, daß die Organisatoren vorsichtshalber einen alternativen Treffpunkt ausgemacht hatten. Gut geschützt vor dem "roten Terror".
Wütend telefonierten die in der Falle sitzenden Faschisten nun rum und forderten von ihren Kameraden, daß diese sie entweder retten oder mit Einzelheiten des neuen Treffpunkts weiterhelfen sollten. Beide Bitten wurden von den Kameraden verweigert und die Standardantwort war: "Bevor wir nach Waterloo kommen, solltet Ihr nach Victoria kommen."! Nachdem der Bahnhof geschlossen war, war die einzige Möglichkeit den Fluß zu überqueren.. Die Polizei versuchte sie "herauszuschmuggeln".
Dieser teilweise Rückzug von Waterloo wurde durch das Auftauchen von 400 Antifaschisten an der Kreuzung Belvedere Road beendet. Zuerst stoppten Polizei und Faschisten und starrten die Antifaschisten still an. Dann flog ein Teil des Bürgersteiges durch die Luft. Beide Seiten bewarfen sich mit Wurfgeschossen. Plötzlich erschien ein farbiger Ordnungshüter aus einem der Tunnel unter der Eisenbahnbrücke, in der Nähe der Faschisten und begann zu schießen.
Sie waren natürlich erschrocken.
Den Moment nutzend griffen die Antifaschisten an. Es sah aus wie eine riesige Flucht als Polizisten und Faschisten in alle Richtungen auseinanderliefen. Wie auch immer eine Gruppe von Bullen, bewaffnet mit Schlagstöcken und Schildern behielten ihre Nerven und machten den Angriff zunichte.
Währenddessen brach einer der Millwall Crew mit einer Herzattacke zusammen.
Fünf Minuten später und ohne Warnung zogen sie plötzlich ab. In Panik stürzten die Faschisten die Rampe runter, die parallel zur Waterloo Bridge verlief. Auf dem halben Weg hielten sie inne und auf dem Weg zurück trafen sie mit halber Geschwindigkeit auf 300 Rote!
Auf dem Bürgersteig angekommen, rannten sie in zerstreute Grüppchen von Antifaschisten, die optimistisch die Verfolgung aufgenommen hatten als diese geflohen waren und nun fanden sie sich einer Überzahl gegenüber von 10:1. Für kurze Zeit hatte sich das Blatt gewendet.
Kurioserweise war es das Stück der Gesamtlänge - das einzige Stück, wo die Rechten kurz in der Übermacht waren - daß jemand bei der BBC aussuchte, um es im TV zu zeigen. Können Rote nicht gewinnen - es mag die Mittelklasse befremden!
Mit der Zeit waren die extremen Rechten auf die Waterloo Bridge gebracht, beide Spuren des Verkehrs wurden gestoppt, Hunderte von Antifaschisten in Gruppen von 50 und 60 waren daneben von der Polizei eingekesselt.
Unter dem Schutz der Dunkelheit eskortierte die Polizei die Niedergeschlagenen zum Temple Tunnel, wo ein Zug hinbefohlen war. Über 400 machten es zu einem Treffpunkt in Eltham, SE London, und sie wünschten nicht ihre Wunden in der Öffentlichkeit zu lecken, so daß die Presse war ausgeschlossen.
Waterloo stellte einen Versuch der extremen Rechten Großbritanniens dar in Form von Blood & Honour aus ihrer zwielichtigen Welt aufzutauchen wie ihre Gegenstücke es erfolgreich anderswo getan haben und im Rampenlicht der Öffentlichkeit zu stehen. Sollten sie sich einmal mehr Akzeptanz verschafft haben, wird es einmal wieder realistisch sein zu erwägen, ob man Geschäfte machen kann. Die oft unbezwingbar erscheinenden Faschisten mußten Fersengeld geben in dieser Machtprobe zwischen Skrewdriver Scum und der extremen Linken. Auch C 18 sind von der Presse zu einer Art unbewzwingbarer Truppe aufgebaut worden. Doch Combat 18 sind auch nur ein Mythos und der wird fallen!
Am darauffolgenden Montag murrte einer der Blood & Honour Organisatoren gegenüber dem Guardian: "Die Kommunisten organisieren all die Zeit Konzerte und keiner stört sie. Wir organisieren ein Konzert und die Juden, die Linken und die Regierung versuchen es zu stoppen - soweit zur Demokratie...Wir werden unbekümmert weitermachen." Das ist selbstverständlich.
Nur vier Tage später erhielt die BNP bei einer Nachwahl 20 % der Stimmen auf der Isle of Dogs.

Und wir?

"Was hat das nun mit Deutschland zu tun?" Das mag sich nun so mancher von Euch fragen. Unserer Meinung zeigt Waterloo wie erfolgreich militanter Antifaschismus sein kann und daß die selbsternannten "Herrenmenschen" keineswegs unbesiegbar sind.
Leider gab es Grabenkämpfe in der englischen Antifaszene, wem denn nun die Lorbeeren für die Schlacht von Waterloo gebührten. Die ANL maßte sich diese an, obwohl sie eher der AFA gebühren. Allerdings nahmen Mitglieder beider und vieler anderer Gruppen an den Aktionen teil; von den Unorganisierten einmal abgesehen.
Wäre es nicht wunderbar mal im TV zu sehen, wie ein Gig einer dieser "deutschen" Bands wie Endstufe, Noie Werte oder Landser gesprengt wird und diese Recken vor uns fliehen! SEE YOU IN VALHALLA!!! Red Devil (aus Revolution Times # 6)

zurück zur Revolution Times Startseite       zur News&Specials-Seite