Revolution Times im Interview:

"Wir sollen glauben, daß es keine Alternative gibt"

(Rin inne pann - 2002)

F: Wie seht ihr euer Heft? Als eine gesunde Mischung zwischen Musik, Politik und Lifestyle (um hier mal hippe Wörter einfliessen zu lassen)? Wo liegen die Schwerpunkte und was soll die Lektüre beim Leser auslösen?

RT: Wir haben stets versucht bei Revolution Times das zu verbinden, was wir sonst nirgends gefunden haben: genau die richtige Mischung aus Musik, Politik und Lifestyle, wie ihr es so schön in eurer Frage ausdrückt. Es war uns immer wichtig Politik und Spass verbunden zu wissen, ob nun in der Subkultur, im "normalen" Leben oder was unsere politischen Aktivitäten angeht. Widerstand, der keinen Spass macht, ist öde und nicht der unsere, Spass allerdings, der den Status Quo als "gottgegeben" akzeptiert, ödet uns aber genauso an und ist ebenfalls nix für uns. Wer uns kennt, weiss was wir meinen. Alle anderen Zines, die es 1995 und danach gab, reduzierten unsere Leben stets auf das eine oder das andere. Da haben wir uns stets "kastriert" gefühlt, weil diese Zines so gar nicht unserem Alltag in diesem System entsprachen, der halt damals wie heute durch Maloche, Stress mit Vermietern, Vorgesetzten, Bullen und Faschisten, den Folgen der etablierten Politik, Feiern am Wochenende, Musik, etc. bestimmt war und ist.

Dementsprechend lagen die Schwerpunkte bei der Musik und der Politik. Wir hatten immer wieder Interviews mit Bands wie Angelic Upstarts, Brigada Flores Magon, F.F.D., Red Alert, Red London und The Oppressed oder sonstigen szenerelevanten Leuten wie z.B. Jan vom Millwall Brick Zine/ Black Pearl Records, dem Autor Stewart Home und anderen Fanzinemachern (z.B. Skinetas Revival, Reds, Never Surrender, Resistance, Shaven Republic). Was das Politische angeht, gab es immer wieder politische Artikel und Diskussionen (z.B. Rätekommunismus vs. Leninismus), Berichte über Streiks oder Demonstrationen. Daneben gab und gibt es stets Reviews (Zines, Bücher, Platten) und Hintergrundberichte zu Bands, etc. Wir haben uns niemals bloss auf das übliche "subkulkturelle" beschränkt und stets den Blick über den deutschen Tellerrand hinaus gewagt. Politisch haben wir keine Linie verfolgt, ausser der, dass die Schreiberlinge der Szene angehören, sich irgendwie als "links" verstehen und sympathisch sein mussten. In der # 12 war z.B. ein Interview mit dem Autoren P.M. drin, obwohl wir dem Anarchismus nicht sehr viel abgewinnen können. Wir haben auch stets versucht positive Ansätze in der Szene zu unterstützen (Red & Anarchist SkinHeads/ RASH, Treffen, Konzerte, Demonstrationen, etc.) und haben darüber auch immer berichtet.

Was wir auslösen wollten bzw. konnten, hängt von den jeweiligen Lesern ab: entweder eine gute und in Deutschland unbekannte Band zu hören, sich mal ein gutes Buch zuzulegen, über den eigenen Tellerrand (Deutschland, Szene, politischer Standpunkt) hinauszuschauen und den einen oder anderen Denkanstoss mitzunehmen. Deshalb haben wir auch stets Kritik an der Gesellschaft und an der Szene geäussert, Diskussionen angestossen, etc. Die Redaktion hat immer ihren Standpunkt gehabt (der sich übrigens über die Jahre hinweg auch gewandelt hat), doch wir haben anderen stets die Möglichkeit geboten sich zu beteiligen oder ihre Standpunkte darzulegen. Wer dies nicht genutzt hat, ist selbst Schuld.

Seit Anfang 2000 haben wir uns vermehrt der Arbeit an unserer "Bibliothek des Widerstandes" gewidmet, deren erste Broschüre im August 2000 erschien. Die Broschüren der Bibliothek beschäftigen sich mit den Kämpfen der Arbeiterklasse gegen Ausbeutung, Bevormundung und Unterdrückung in Ost und West, in Gegenwart und Vergangenheit. Bisher sind vier Broschüren erschienen: August 2000: "17. Juni 1953 - Arbeiteraufstand oder Konterrevolution?"; Januar 2001: "Auschwitz als Alibi. Kritik des bürgerlichen Antifaschismus" und "Die Kronstadt-Rebellion. Alle Macht den Sowjets, nicht den Parteien!"; Januar 2002: "Frankreich 1968: Rebellion im Herzen der Bestie". Auch in Zukunft werden wir uns vermehrt dieser Arbeit widmen, wie auch der Arbeit als Unabhängige Rätekommunisten. Bei uns gibt es gegen Rückporto einige Flugis sowie eine Literaturliste sowie die aktuelle Ausgabe unseres Zines (für 3 Euro) zu bestellen: Revolution Times, Postlagernd, 23501 Lübeck. Besucht unsere Homepages: www.oocities.org/revolutiontimes/ und www.oocities.org/raetekommunismus/. Überzeugt euch selbst!

F: Warum führt die weit verbreitete Politikverdrossenheit bei den meisten Leuten zu Desinteresse und oft zu totaler Abkanzelung vom Thema statt zu Protesten? Geht der Plan von Thatcher, Westerwelle und Co auf, kümmert euch nicht um andere, kauft Aktien und werdet alle reich. Müsste nicht langsam mal auffallen, dass das so nicht hinhaut und das nicht plötzlich jeder arme Schlucker reich geworden ist?

RT: Die heutige Situation ist kompliziert und wir dürfen den gesellschaftlichen und historischen Hintergrund dieser Tage nicht vergessen: der Zusammenbruch des staatskapitalistischen Ostblocks, die gesellschaftliche Alternative fehlt, grosse Klassenkämpfen in Deutschland fehlen (der Klassenkampf im Kleinen existiert und lebt jeden Tag fort in den Betrieben: "Krankfeiern", Langsamarbeiten, etc.) Der Zusammenbruch des staatskapitalistischen Ostblocks hat bei allen (ob sie nun dem Ostblock positiv gegenüberstanden oder nicht) ein gewisses Gefühl der Niedergeschlagenheit hinterlassen. Andere Gründe bzw. Aspekte der heutigen gesellschaftlichen Verhältnisse sind auch nicht gerade einem kritischen Bewusstsein und einer ebensolchen Praxis förderlich. Der gesellschaftliche Druck ist sehr gross: sowohl materiell als auch ideologisch. Es ist oft eine Existenzfrage: setze ich mich Repressionen aus und kann ich auch mit den Folgen leben? Und ausserdem fehlt für viele die Alternative: die traditionellen Organisationen wie Parteien und Gewerkschaften sind diskreditiert und haben sich als unfähig erwiesen, den Menschen bessere Verhältnisse zu bescheren. Was bei dem parteimässigen Aufbau des Sozialismus herausgekommen ist, haben wir alle im Ostblock gesehen, wo nur eine neue herrschende Klasse an die Stelle der alten getreten ist, sich aber grundsätzlich nichts an dem Verhältnissen für die arbeitenden Menschen geändert hat. Statt der Zaren und Kapitalisten, hatten Partei- und Staatsbürokraten das Sagen und vom Ende der Klassengesellschaft und damit dem Ende der Lohnarbeit und aller Klassen kann auch nicht die Rede sein ...
Der Widerstand der Menschen wird also ganz von vorne anfangen müssen (abgesehen von den Erfahrungen der Kämpfe der Vergangenheit und den eigenen Anfängen). Die Arbeiter haben sich stets in ihren Kämpfen ihre eigenen Kampforgane geschaffen (ob nun Räte, Fabrik- und Streikkomitees, etc.). Wir denken aber nicht, dass alle total zufrieden sind und alle überhaupt das Geld haben Aktien zu kaufen. So geht es auch uns und vielen unserer Kollegen. Dass wir nun alle Aktien kaufen können, hat nichts daran geändert, dass der Grossteil von uns, die arbeiten gehen müssen, einer verhassten Lohnarbeit nachgehen müssen, um überleben zu können (wohlgemerkt: nicht leben!) und auch keinen Einfluss auf Entscheidungen aller Art haben. Das ist ja gerade der Punkt: Im kapitalistischen System der BRD gelten bürgerliche Freiheit und Gleichheit: Z.B. sind ein Arbeiter oder ein König, sagt Marx, als Käufer derselben Ware vollkommen gleich. Voraussetzung ist nur, dass beide über die genügend grosse Summe Geldes zum Kauf der Ware verfügen. Und da ist das Ende der Freiheit und Gleichheit für uns, während sie gerade darin für den König oder den Kapitalisten besteht. Das ist der Klassencharakter dieser Gesellschaft, dass rechtlich zwar alle gleich sind, im Prinzip alle die gleichen Freiheiten und Rechte geniessen könnten, aber aufgrund ihres nicht vorhandenen Reichtums, der auf ihrer Stellung im Kapitalismus als Lohnarbeiter, die ihre Arbeitskraft verkaufen müssen, um überleben zu können, basiert. D.h. (sozial/ökonomisch) ungleiche Individuen werden völlig gleich (nach dem Gesetz) behandelt. Den wir können alle kleine Kapitalisten werden, nur müssen wir das nötige Kapital dafür haben. Wir alle geniessen Rechte wie die Presse- und Reisefreiheit. Wenn wir allerdings die armen Schlucker sind, die wir sind, so reicht unsere Reisefreiheit gerade mal von Lübeck nach Kiel und unsere Pressefreiheit reicht gerade mal für ein kleines Fanzine, das nur unsere Freunde, Genossen und unsere Szene/Subkultur erreicht.

Aber ich denke, dass die meisten Arbeiter ein Gefühl von ihrer Situation haben in einem System der Ausbeutung, in dem sie ihre Arbeitskraft zu verkaufen haben. Die meisten von ihnen sind sich dieser Situation und ihres täglichen Kampfes, diese Ausbeutung zu begrenzen, bewusst, wenn auch das nicht unbedingt dazu führt, dass jeder, der sich dessen bewusst ist, revolutionär denkt und handelt. Die Arbeiterklasse ist proletarisch und bürgerlich zugleich. Denn wir alle leben in diesem System: einiges von diesem System haben wir und viele andere sehr verinnerlicht (einige Arbeiter und nicht gerade wenige von ihnen z.B. den gesellschaftlich geschürten Rassismus oder bürgerliche Vorstellungen wie Schwulenhass oder den Arbeitsethos, von ihrer Praxis her lassen viele Arbeiter allerdings ihr rassistisches Denken hinter sich, wenn sie z.B. mit ausländischen Kollegen zusammen streiken und ihre gemeinsamen materiellen Interessen vertreten). Wirkliches Bewusstsein über ihre Lage erlangt die Klasse nur durch Erfahrungen im Arbeitsalltag und in den vor sich gehenden Kämpfen. Es war immer so, dass der Grossteil der Arbeiter revolutionäres Bewusstsein in Kämpfen entwickelt haben, weswegen es auch ein Trugschluss dieser ganzen revolutionären Grüppchen ist, dieses "Klassenbewusstsein" in die Klasse hineinzutragen (wie es Kautsky und Lenin wollten), denn nur der Kampf, die Erfahrung eigener Kraft und Stärke, die Erfahrung der Schwäche der Chefs und Bonzen sowie das eigene Handeln sind sowohl Ausdruck diese entstehenden Bewusstseins, ebenso wie sie es fördern. Was wir tun können, ist die Erfahrungen der Vergangenheit zu verallgemeinern und so manchen Bewusstwerdungsprozess zu beschleunigen, allerdings nicht durch blinden Aktionismus (eine Demonstration nach der anderen, nach dem Motto besser etwas tun als gar nichts tun), platte Parolen (wie z.B. Appelle an den Staat, Gewerkschaften, Parteien) und eine Praxis (z.B. Bündnisse mit Gewerkschaften oder Parteien, Teilnahme an Wahlen),.die Illusionen in das System und seine Reformierbarkeit schaffen, sondern durch Aktionen und Aufklärung über dieses System. Einige halten sich für radikal, wenn sie für humanere Verhältnisse, einen sozialen Kapitalismus oder ein demokratischeres System eintreten. Wir hingegen lehnen es ab Illusionen zu schüren und sagen klar, was wir wollen: die Abschaffung der Klassengesellschaft mit ihren Klassen, ihrer Lohnarbeit, ihrem Geld und ihren Hierarchien. Wir streben nicht die Errichtung einer Parteidiktatur an, sondern die Selbstbestimmung und Selbstorganisation der Menschen, so dass die "die freie Entwicklung eines jeden die Bedingung für die Entwicklung aller" (Marx) ist.

F: Die SPD hat einen Skandal, also wähl ich CDU, dann hat die CDU einen Skandal und ich wähl wieder SPD und so weiter und so weiter ... Viele hatten sich von Rot/Grün sicherlich Verbesserungen erhofft, doch grossunternehmerfreundliche Politik, sogar vermehrte Waffenlieferungen, Sozialabbau, Null Kritik an der Globalisierung, "Solidarität" zu Amerika etc. ... müssten doch eigentlich zeigen, wo der Hase langläuft (nämlich durch die Büros der Grossaktionäre) und das das alles nicht hinhaut, egal welche Partei nun an der Regierung ist.

RT: Also ersteinmal zerbreche ich mir nicht den Kopf, wen ich wählen soll, denn erstens verändern bürgerliche Wahlen nichts grundlegend (wie heisst es da so schön: sonst wären sie ja verboten) und zweitens gibt es zwischen den bürgerlichen Parteien eh grösstenteils nur noch verbale Unterschiede. Dass Rot/Grün keine andere Politik betreibt und auch betreiben kann, liegt daran, dass es für bürgerliche Regierungen keine grossen Verteilungsspielräume gibt. Die sozialen Komponenten, welche die CDU/CSU nun anpreist, wird sie ebenfalls nicht umsetzen. Und selbst wenn: was sie uns vorne geben, nehmen sie uns hinten zweimal. Keine der Parteien sieht den Grund in der Politik überhaupt, sondern jede vielmehr nur in der Politik ihrer Gegenpartei. Wo sind allerdings die Unterschiede zwischen ihnen: z.B. wollen sowohl CDU/CSU als auch die SPD weiter die Rente kürzen und die Arbeitslosen mehr verarschen.

Dass die Leute allerdings alles so schlucken, finde ich nicht. Bei manchen Wahlen beträgt die Wahlbeteiligung nur um die 60 Prozent, d.h. rund 40 Prozent (manchmal sind es auch nur um die 20 Prozent) gehen aus verschiedensten Gründen nicht zur Wahl. Einige von ihnen wissen, dass sie nur Diebe und Mörder wählen können, welche sie bestehlen und befehlen werden. Kritik an der "Globalsierung", dem Euro und Preiserhöhungen, der Lohnzurückhaltung und der Praxis der Gewerkschaften in den letzten Jahren, der zunehmenden "Privatisierung" der Alters- und Krankenvorsorge, etc. sind vorhanden. Und nur weil in den Medien kaum etwas darüber berichtet wird, heisst das nicht, dass alle alles schlucken und es in den Betrieben total ruhig ist.

Eines ist klar: Weder von den bürgerlichen Parteien noch von den Gewerkschaften ist etwas zu erwarten. So krass es klingt: Wenn sich etwas soll, werden die Menschen ohne und gegen diese Organisationen selbständig kämpfen und handeln müssen. Sie dazu aufzurufen, ebenfalls wie sie für den Aufbau irgendwelcher revolutionärer Parteien und Gewerkschaften zu organisieren, ist Blödsinn. Die Arbeiterklasse (also alle lohnabhängig Beschäftigten) bzw. Teile von ihr werden kämpfen, wenn sie sich dazu gezwungen sehen werden. Und nur ihr Kampf wird eine Besserung der Lebensverhältnisse herbeiführen können und nicht der x-te Aufguss einer "wirklich revolutionären" oder "proletarischen" Partei. Das belegen unzählige Beispiele aus der Geschichte der Klassenkämpfe. Wer die bisherigen Erfahrungen erneut machen will: bitte, aber ohne uns. Solche Parteien waren stets der Kern einer neuen herrschenden Klasse (ob nun im Ostblock oder in Afrika, etc.).

F: Mal zur sogenannten "linken Szene". Ist die nicht irgendwo unattraktiv für den "normalen Menschen", der anfängt sich für Politik zu interessieren, durch a) - Leute die Judge Dread Konzerte verhinderten, weil zu sexistisch, die bei jedem zweiten geschriebenen Wort ein -Innen ranhängen oder die Sprüche raushauen wie "du guckst der Frau auf den Arsch? Du Schwein!" oder "Du isst Fleisch? Arschloch!" und b) Leute die nur ihre eigene spezielle Weltanschauung akzeptieren und jede andere verteufeln?

RT: Der Grossteil der Leute bzw. Gestalten, welche sich in der "Linken" rumtreiben, sind total verbürgerlicht und verspiessert. Das merkt man in Bezug auf das Thema Sexualität/Sexismus ebenso wie am Thema Skinheads und vielen anderen. Viele haben sich in bequeme Nischen zurückgezogen (alternative Zentren, aus denen sie nicht mehr rauskommen, Bearbeiten von Themen wie Veganismus, Sexismus, Antifaschismus, Anti-Castor), Teile sind weltfremd, Teile reiben sich in Ein-Punkt-Bewegungen auf, wieder andere Teile pflegen ein Dasein im Sumpf zwischen Nostalgie, Opportunismus und Sektendasein. Selbst junge Punk-Kiddies, die irgendwie "links" sein wollen, nerven rum wegen "Scheiss Arbeit", trinken aber gern auf deine Kosten ein Bier. Viele von ihnen sind Freaks, stehen nicht mit beiden Beinen im wirklichen Leben. Sie sind irgendwie zufrieden mit ihrem Dasein, weil sie sich arrangiert haben, ihre Nische gefunden haben. Ich z.B. will auch meinen Spass, aber die Narrenfreiheit in diesem System reicht mir nicht (d.h. rumzulaufen wie ich will - aber irgendwie mein Geld ranzuschaffen; demonstrieren zu dürfen - auch wenn immer mehr Demos verboten und kriminalisiert werden; meine Meinung sagen zu dürfen - auch wenn sie keinen interessiert bzw. sie keinen erreicht). Ich will mich nicht arrangieren, ich will nicht länger gezwungen sein einer entfremdeten Lohnarbeit nachgehen zu müssen, ihre verseuchten Lebensmittel und ihre bescheuerten Waren kaufen zu dürfen, etc.

Da sehen wir auch unsere Probleme mit der "Linken": ein Grossteil ist ein stinkender Leichnam, der krampfhaft versucht seinen Verwesungsgeruch durch Aktionismus oder hippe Themen zu überlagern. Gerade weil wir so unsere Probleme mit der "Linken" hatten und haben, haben wir in den letzten Monaten verstärkt begonnen eigene politische Wege zu gehen. Wir sehen uns auch nicht mehr als Teil der "linken" Szene wie früher. Der Grossteil der "Linken" hat keine Perspektiven, sie haben keine Lösungen und Alternativen anzubieten, weshalb sie sich stets an mögliche oder reale Bewegungen wie z.B. die der "Globalisierungsgegner" ranklammern. Dabei werden dann plumpe Forderungen und aktionistische Praxis betrieben, die nicht unbedingt das Bewusstsein hebt, sondern Illusionen z.B. in den Staat schüren und am Ende die Leute resigniert zurücklassen, weil die versprochenen grossen und erfolgreichen Kämpfe oder die Revolution ausgeblieben sind. Man denke nur an die Märchen von "Linksruck", die bei nahezu jeder Bewegung und jeder Studentenregung gleich ein neues 68 sehen ...

F: Trotz der Politikverdrossenheit in der Masse der Bevölkerung hat sich eine breite Antiglobalisierungsbewegung herausgebildet. In Genua waren 100.000 Leute auf der Strasse. Diverse Gewalt ging von der Polizei aus oder wurde von ihr provoziert, doch es wurden auch gewalttätige Aktionen von Demonstranten gestartet. Tat das Not? Waren sie nicht ein gefundenes Fressen für Politiker, Bildzeitung, etc. Wären friedliche Proteste unter den gegebenen Umständen (Medienpräsenz war auch so da) nicht sinnvoller gewesen und hätten auch in der "normalen Bevölkerung" mehr Sympathien gebracht?

RT: Du hast recht: Der Protest wurde schnell seines politischen Gehalts, seiner berechtigten Kritik an den Vorstellungen und Praxis einer kapitalistischen EU und Welt beraubt. Was in den Nachrichten rüberkam, war das übliche: Linke "Chaoten" ziehen randalierend durch die Städte, schmeissen Steine auf die Polizei, zertrümmern Fensterscheiben, etc. Gegen den "anarchistischen Reisezirkus" (Tony Blair) sind nun bereits Massnahmen getroffen worden (zum einen stärkere Repression und Ausreiseverbote gegen Aktivisten, Gipfel am Arsch der Welt). Im Vorfeld des Treffens in München Anfang Februar ist eine Atmosphäre geschaffen worden, in der fast jeder Protest kriminalisiert worden ist.

Die Proteste richten sich gegen die "Globalisierung" was schon einmal ein schwammiger Begriff ist. Wir haben so unsere Probleme mit dieser Bewegung, die wir in unserem Flugblatt "Welche Perspektive hat die Anti-Globalisierungsbewegung?" einmal zusammengefasst haben.

Zu den Vorwürfen, die Protestierer würden herumreisen, um "Terror" "zu stiften", sei angemerkt, dass jeder von uns das provokative Verhalten der Polizei kennt, dazu kommt das übliche Gefühl der Hilflosigkeit und der nötige Hass auf die kapitalistische Ordnung. Wenn die EU-Prominenz nun von den Protesten als "Verbrechen" redet, so lenken sie schön geschickt von dem Blut ab, das an ihren Händen klebt: NATO-Krieg gegen Rest-Jugoslawien, Abbau sozialer und rechtlicher Standards, Korruption a la CDU, verseuchte Umwelt und Geschäfte mit vergifteten Lebensmitteln, staatlicher Rassismus, Abschiebungen in Länder wie die Türkei, etc. Im Gegenteil: Es ist ihre Politik, welche asozial und ein Verbrechen ist! Die Opfer der Verbrechen des alltäglichen Kapitalismus sind viel zahlreicher als die der "linken Chaoten" oder solcher demokratischen-barbarischen Akte wie dem NATO-Krieg. Es ist schon lustig mitanzusehen und zu hören, wie sonst hochdotierte Politiker um ihre kleinen beschissenen Leben fürchten und sich z.T. wie in Göteborg aus ihren Hotels schleichen mussten bzw. die Feuerleiter benutzen mussten. Dabei handelt es sich bei den Demos und Ausschreitungen nur um einige Hundert "linke Krawallmacher" und trotzdem kommen die "Herren der Welt" ins Schwitzen. Wie soll das erst bei einer wirklich breiten sozialen Bewegung und einer proletarischen Revolution sein? Die Proteste und Auseinandersetzungen in Goeteborg und zuvor in Nizza, Prag und Seattle sind ein Vorgeschmack auf das, was die Bonzen in Politik und Wirtschaft erwarten wird, wenn die Arbeiterklasse erwachen und ihre Geschicke selbst in die Hände nehmen wird. Bis dahin sind die jetzigen Ereignisse für uns alle ein Stück Genugtuung, auch wenn uns ihre Begrenztheit bewusst und klar ist, denn zum grossen Teil versuchen natürlich auch einige linke Gruppen Klasse zu spielen. Aber den Kapitalismus werden nicht wir Revolutionäre (sollten wir auch einmal Hunderttausende sein!) stürzen, sondern das wird die Klasse selbst machen!

Doch was kritisiert die Bewegung? Der Grossteil der Bewegung kritisiert nicht den Kapitalismus insgesamt, sondern stets extreme einzelne Aspekte, Auswüchse und Konsequenzen des Systems (wie z.B. die Ausbeutung und Unterdrückung der 3. Welt, die Sweatshops, die Finanzspekulation, die Vermarktung des Wassers, etc.). Was sich in dieser Bewegung "antikapitalistisch" nennt, ist in Wirklichkeit nur gegen einzelne Aspekte des gesamten Systems gerichtet. Eine umfassende Kritik des Alltagslebens in den kapitalistischen Metropolen mit seiner Klassengesellschaft, Lohnarbeit oder Umweltzerstörung erfolgt hingegen nicht. Diese Bewegung ähnelt insofern anderen Ein-Punkt-Bewegungen wie der Antifa- oder Anti-Castor-Bewegung. Ausbeutung und Unterdrückung scheint es für diese Bewegung nur in der "3. Welt" zu geben. Der weltweite Klassengegensatz wird somit durch einen vereinfachten Nord-Süd-Gegensatz ersetzt.

Es heisst, die "Globalisierung" mit ihren Finanzmärkten und Riesenkonzernen unterwandere "die Entscheide der Völker, der demokratischen Institutionen und der souveränen Staaten" (Gründungsplattform von ATTAC), als wenn es jemals so gewesen wäre, dass die Menschen Einfluss auf ihre Leben gehabt hätten und nicht die Konzerne und Politiker. Insofern kann man nicht wieder herstellen, was nie existierte, es sei denn die zerstörte Illusion davon.

Die Bewegung möchte die "Globalisierung" "gerechter" gestalten, "supranationale Institutionen" wie die WTO "demokratisieren" und "reformieren", "multinationale Konzerne" "zähmen" und "kontrollieren". Statt des "Freihandels" wird ein "fairer Handel" favorisiert. Das sind nur einige der Vorstellungen und Zielsetzungen. Grundsätzlich geht es darum, den "Sozialstaat" zu verteidigen und mittels von Gesetzen, Steuern und durch Kontrolle des Staates den "entfesselten" Kapitalismus zu "bändigen", d.h. ihn zu regulieren und zu steuern. Die Gesellschaft solle von der Politik gestaltet werden und nicht von den Gesetzen des Marktes.

Es fehlt grösstenteils eine umfassende Kritik des Alltagslebens, weil nun einmal WTO, IWF und Weltbank weit weg sind, die Lohnarbeit und die Lebens- und Arbeitsverhältnisse, in denen ich mich jeden Tag bewegen muss, hingegen nicht. Die Kritik der Bewegung bleibt so oft abstrakt, hat einige grosse Satane wie die Multis oder die WTO, aber verklärt im Gegenzug die kleinen Kapitalisten, den "Sozialstaat" und die Demokratie. Diese Bewegung ist teilweise auch sehr nationalistisch, wenn es z.B. um Protektionismus geht oder den Erhalt der "Vielfalt der Kulturen" oder wenn man sich einige Aktivisten ansieht, welche sich in der Bewegung tummeln. Es geht vielen nicht um eine Analyse und Kritik der kapitalistischen Verhältnisse, sondern nur um den Erhalt des Status Quo. Von daher warne ich vor einer Verklärung dieser Bewegung, die sicherlich vielfältig ist, aber mit irgendwelchen Christen, Kleinbauern, kleinen Kapitalisten oder Funktionären von Parteien oder Gewerkschaften habe ich nicht allzuviel gemein. Gerade in Deutschland hat die Bewegung nicht sehr viel Verankerung in betrieblichen Kämpfen, wie teilweise in anderen Ländern. Ein Teil der Bewegung bezieht sich zudem positiv auf dieses System, dessen Auswüchse es auszuschalten gelte. Appelle werden so an die Regierungen der Welt, Kapitalisten oder an Politiker gerichtet, die doch eigentlich verantwortlich für den ganzen Schlamassel sind. Viele fordern mehr Kontrolle, Gesetze, Standards und, dass der Staat seiner Rolle wieder nachkommen solle und für das Gemeinwohl Sorge tragen solle. Sicherlich ist diese Bewegung nicht einheitlich, aber diese Tendenzen haben für uns nicht viel mit einer befreiten Gesellschaft zu tun.

F: Seit Genua halten IWF, WTO, G7, etc. ihre Treffen teilweise einfach am anderen Ende der Welt ab (Katar), u.a. in diktatorischen Staaten, wo Demonstrationen unmöglich sind. Einige werten dies als Erfolg. Doch ist das ein Erfolg? Wo sind die Chancen für Globalisierungsgegner auch unter diesen Umständen Proteste durchzuführen?

RT: Die Proteste haben denen da oben gezeigt, dass sie und ihre Politik nicht geliebt werden und uns, dass die da oben angreifbar sind. Konkret haben die Proteste bisher allerdings nichts verändern können (ausser vielleicht das Bewusstsein einiger Leute; bei einigen erzeugen die Proteste Hoffnung, bei anderen Nachdenken). Die Antiglobalisierungsbewegung wird durch solche Proteste auch nicht allzuviel erreichen können. Ob die WTO/G7/EU-Treffen in Katar oder sonstwo stattfinden, spielt keine so grosse Rolle. Denn auch wenn sie hier verhindert werden können, so wird doch damit nicht der Kapitalismus selbst oder eines seiner Probleme beseitigt. Die Bewegung droht sich totzulaufen, weil ihr die nötige Perspektive fehlt. Sie ist nicht einheitlich, in ihr befinden sich verschiedenste Gruppen und Menschen: ob Christen, Gewerkschafter, ATTACler, linke Gruppen, etc. Einige von ihnen wollen den Kapitalismus bloss "zähmen" und die Verhältnisse "zivilisierter" machen. Mit solchen Leuten ist ein "sozialer" Kapitalismus zu machen, für den allerdings der finanzielle Spielraum heute fehlt (ganz abgesehen von der Lobby). Einige Gruppen versuchen sich der Bewegung zu bedienen, um sich selbst zu nützen. Sie geben vor Widerstand gegen die "Globalisierung" zu organisieren und wollen doch nur Mitglieder für sich gewinnen und organisieren so die künftigen Niederlagen. Diese Organisationen geben zugleich ihrer Mitgliedschaft das Gefühl, den Klassenkampf zu organisieren (sie "spielen Klasse") bzw. dass diese an grossen Klassenauseinandersetzungen teilnehmen, wobei die organisierten Proteste nichts sind im Gegensatz zu wirklichen Klassenkämpfen. Viele von denen, die heute noch enthusiastisch die Bewegung unterstützen, werden sich nach einiger Zeit enttäuscht zurückziehen, da grosse Erfolge und Umwälzungen ausbleiben werden. Diese Erfolge werden ausbleiben, weil die Bewegung keine Perspektive hat. Proteste dieser Art (Demonstrationen, ein paar eingeschlagene Scheiben von Banken und Mc Donalds-Filialen) werden den Kapitalismus nicht ändern oder gar beseitigen. Die Macht wirklich etwas zu verändern wird eine gesamtgesellschaftliche Bewegung haben, welche hauptsächlich von den Arbeitern in den Betrieben getragen werden wird. Dort in den Betrieben ist der Ansatzpunkt den Kapitalismus zu überwinden, indem die, die Arbeit verrichten, sie und die Verteilung des Reichtums selbst regeln werden. Das wird die globalen Auswirkungen des Kapitalismus beseitigen.

Überdies zeigt schon der Begriff "Globalisierung" eine gewisse Schwäche der Bewegung. Es lässt sich vieles in diesen Begriff hineininterpretieren und es entsteht der Eindruck, dass das, was jetzt vor sich geht neu wäre. Es gibt aber keine solche neue Tendenz der "Globalisierung". Die kapitalistische Wirtschaft war immer schon "global": Diese Bewegung richtet sich, wie ihr Name schon sagt, gegen die "Globalisierung". Dabei ist der globale Kapitalismus keine neue Erscheinung. Das, was als "Globalisierung" bezeichnet wird, ist jedoch nur der dem Kapitalismus eigene ständige Prozess der Zentralisierung und Konzentration des Kapitals und dieser Prozess existiert bereits solange wie der Kapitalismus selbst. Der Kapitalismus hat stets im weltweiten Massstab mit Arbeitskräften, Geld, Produkten und Rohstoffen gehandelt und in diesem Rahmen - und auf Kosten der anderen Länder und der eigenen Arbeiterklasse - haben sich Europa, Japan und Nordamerika als Zentren und hochindustrialisierte Länder herausgebildet.

F: Mal was anderes. Ich habe mehrere Leute erlebt, deren spontane Reaktion auf den 11. September war, hin nach Afghanistan, alles plattmachen, alles auslöschen und ich hab mehrfach erlebt, wenn man von der Zivilbevölkerung redet, von Frauen und Kindern, die von Streubomben weggehauen werden, kommt dann als Antwort: "Ach so, aber die Opfer im WTC zählen für dich gar nicht." Wie ist soviel Bescheuertheit möglich? Frei nach dem Motto, wer jetzt nicht afghanische Kinder schlachtet, der hat kein Mitleid mit den WTC-Opfern.

RT: Das alles ist eine grosse Gehirnwäsche. Es wurde in den Medien eine grosse Hysterie und Paranoia erzeugt. Die Milzbrandbriefe haben das verdeutlicht. Das alles sollte uns blind machen für die Wirklichkeit. In den ersten Tagen kamen immer wieder dieselben Bilder und sehr schnell wurde Bin Laden beschuldigt. Danach ging man sehr schnell dazu über Afghanistan zu drohen und griff es an. Das alles ohne wirkliche Beweise einer Schuld Bin Ladens. Was Afghanistan damit zu tun hatte, war noch unverständlicher.

Die USA waren diejenige Kraft, die am meisten von den Anschlägen des 11. September profitiert haben. Sie gaben ihr einen Freibrief Afghanistan in Schutt und Asche zu bomben und dies mit jedem Staat zu tun, den sie als "terroristisch" ansehen bzw. der angeblich "Terroristen" unterstützt. Das Zitat eines US-Majors verdeutlicht, worum es auch in diesem Falle ging bzw. geht: "De facto wird die Rolle der US-Streitkräfte darin bestehen, die Welt für unsere Wirtschaft sicher und für unseren kulturellen Angriff offen zu halten. Zu diesem Zweck werden wir eine beträchtliche Menge Menschen töten müssen." (Major Ralph Peters, Constant Conflict, in Parameters, Sommer 1997)

Dieser "Krieg gegen den Terrorismus" bedeutet allerdings nicht nur verschärfte Repression nach aussen, sondern auch nach innen. Das "Sicherheitspaket" Schilys wäre so niemals durchgegangen, wenn es nicht den 11. September als Druckmittel gegeben hätte, zu handeln.

Interessanter finde ich allerdings, dass die USA und die anderen kriegführenden Staaten so tun, als wenn sie keine Verantwortung und keine Interessen hätten. Zum einen hat der CIA Bin Laden und die Taliban aufgebaut, im Kampf eggen die Sowjetunion. Damals waren ihre Frauenfeindlichkeit, ihr islamischer Fanatismus, etc. im Interesse der USA, etc. Auch gab es vor dem 11. September 2001 Verhandlungen zwischen den Taliban und Ölfirmen um den Bau von Pipelines. Z.B. soll von US-amerikanischer Seite vier Wochen vor dem 11. September der mittlerweile berühmt gewordene Spruch gefallen sein, die Taliban könnten sich zwischen einem roten Teppich oder einem Bombenteppich entscheiden. Wer noch mehr Hintergrundinformationen möchte, sollte sich einmal das Wildcat-Zirkular zulegen (für 3 Euro bei Shiraz e.V., Postfach 30 12 06, 50782 Köln) oder kann im Internet auf der Homepage www.wildcat-www.de nachschauen.

F: Bush und Konsorten (und auch Schröder) sprechen von "zivilisierter Welt", von Gut und Böse und von der Gehirnwäsche, die bei den moslemischen Terroristen abläuft. Klar läuft da Gehirnwäsche ab, aber wie ist das bei den Yankees? Nationalhymne tralala, Amerika ole, der Mord an den Indianern wird sogar jedes Jahr gefeiert, die ganzen Verbrechen in Mittelamerika, in Cuba vor Castro, Unterstützung von allen möglichen Diktaturen, damit Amifirmen Kasse machen, Kriegstreiberei, Null Umweltschutz und selbst im eigenen Land sind 20 Millionen Leute unterernährt (Amnesty International-Studie), 8-jährige ballern sich gegenseitig in der Schule ab und und und. Das könnte jetzt noch ewig weiter gehen. Trotzdem kriegen sie es hin dem Volk zu verkaufen: "Das alles ist gut für Amerika, also ist es auch gut für euch Fussvolk". Muss man nicht den Hut ziehen, vor einer Gehirnwäsche, die so gut funktioniert?

RT: Ich würde mich vorsehen ihren Lügen auf den Leim zu gehen. Sie verstehen es ganz gut uns Lügen zu erzählen. Ob das Bild, das sie uns im TV über die angebliche Stimmung in Amerika und sonstwo gezeigt haben, stimmt, ist nicht klar. Klar ist aber, dass wir glauben sollen, es gebe keinen Protest und Widerspruch zum imperialistischen Krieg, es gebe keine Alternative zu der verkündeten Logik, dass es ausser der Position der USA oder jener der Taliban und Bin Ladens keine Position gebe. Viele Leute auch hier sehen den Krieg gegen Afghanistan kritisch. Viele haben sich aber nicht getraut diese Kritik offen zu äussern, aus Angst vor Repression und Konsequenzen und mangels Alternativen. Wie schnell es in heutigen Tagen geht als Terrorist bzw. Sympathisant hingestellt zu werden, und was geschieht, wenn man das Recht der Meinungsfreiheit ernst nimmt, haben die Suspendierungen von sächsischen Lehrern gezeigt, welche die USA kritisiert haben. Auch ich habe mich vorgesehen nicht jedem meine Meinung aufs Auge zu drücken. Es existiert eine Atmosphäre, ähnlich der z.Zt. des Krieges gegen Restjugoslawien 1999, in der "Betroffenheit" das Denken und Fragen stellen verbieten soll. Der Krieg 1999 erhielt seine heilige Weihe aus der Geschichte, es galt ein neues Auschwitz zu verhindern, der neue 2001 erhielt seine Legitimation aus dem "Kampf gegen den Terrorismus".

Die heutige Situation zeigt, was das Recht auf Meinungsfreiheit und die Pressefreiheit wert sind. Wer seine Meinung sagt, muss mit den Konsequenzen leben und die bürgerlichen Zeitungen schreiben - in schöner Eintracht, man könnte auch sagen: freiwilliger Gleichschaltung - eh alle den gleichen Müll. Es zeigt sich wieder einmal, dass wer seine Rechte in Anspruch nimmt, sehr schnell die Ketten zu spüren bekommt, an denen wir liegen.

Die Gleichschaltung der Medien und die Gehirnwäsche funktioniert recht gut. Das Problem ist erstens, dass es kaum öffentlich hörbare Stimmen gegen diese ganze Hysterie gab und dass zweitens die Leute aus Informationen aus zweiter und dritter Hand angewiesen sind, denn wer von uns verfügt schon über Kontakte nach Afghanistan? Viele, die erst gegen den Krieg waren, wurden durch die angeblichen Bilder Bin Ladens und sein Schuldeingeständnis "überzeugt". Dass es kurze Zeit darauf Zweifel an der Echtheit des Videos gab, wurde zwar vermeldet, aber die zuerst ausgestreute Lüge sass tiefer im Hirn fest. Dieser Krieg war also erneut wie die vorherigen ein gewaltiger Propagandafeldzug (erinnert sei an den von Scharping ersponnenen Hufeisen-Plan).

F: So, und jetzt: Politik, fuck off! Welche Bands haben euch in letzter Zeit absolut begeistert, die ihr nur empfehlen könnt?

RT: Angelic Upstarts (Mensis Evergreens!), Brigada Flores Magon, Los Fastidios (Scooter bastards!), Prowlers (proll on!), Stage Bottles (super neue Platte!), Street Troopers (immer noch!), The Press, The Strike und verstärkt hören wir wieder Ton Steine Scherben (deren Texte bis heute nichts an ihrer Aktualität eingebüsst haben!).

F: Welche Bands haben euch enttäuscht? Textlich. Musikalisch. Wo drehte sich euch der Magen um?

RT: Uns ärgert, dass solch eine gute Band wie Street Troopers sich aufgelöst haben. Von deutschen Oi!Bands sind wir nicht enttäuscht, da wir von ihnen eh nichts erwarten. Die Nachfolgeband der Street Troopers, die Prowlers, sind musikalisch geil, aber leider nehmen sie nicht einen so eindeutigen politischen Charakter wie die Street Troopers ein (ausser Antifaschismus!).

Interview für "Rinn inne pann" # 1 (Juli 2002)

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