No Respect

"We don' t need no idiots who call themselves the "master-race""

Vor einiger Zeit fiel mir das Tape dieser Band aus Göttingen in die Hände. Die dargebotene Mucke (eine gute Mischung aus Ska und Punk) und die Texte (da wird gar von "Anarchy" gesungen) liegen für mich auf jeden Fall über dem Durchschnitt deutscher Bands. Sowohl die Texte als auch die Mucke ihres Tapes "Statements" wissen sehr zu gefallen und man merkt, daß dies nicht ihr erstes Tape ist. Im Dezember haben sie u.a. als Vorband der göttlichen Butlers in Bremerhaven gespielt. Und für "Unpolitische" sind No Respect auf jeden Fall auch nicht das Richtige (schon ihr Tapecover wird geziert von einem Anarchie-A).

RT steht für Revolution Times, NR für No Respect

RT: In Eurem Bandinfo schreibt Ihr, es gebe Euch schon seit Ende der 80iger und Euer Tape "Statements" wäre Euer 4.. Wie kommt es, daß ich von Euch bisher nichts gehört habe? Wart Ihr bisher ein Geheimtip oder "nur" Lokalheroen? Wann und wie fing alles an?

NR: Gegründet haben wir uns aus einer Session Mitte der 80er heraus, im Juzi-Übungsraum. Von der Urbesetzung sind nur noch 2 Leute dabei, da es viele Wechsel gegeben hat. Vor ca. 6 Jahren ist dann Stevie am Bass eingestiegen. Mit ihm zusammen haben wir Punk/HC gemacht, davor abgefahrenen Rumpelcore. Es gibt mehrere Casis mit verschiedenen Besetzungen, nur kleine Auflagen, wir schicken dir was zu. Wir haben zwar öfters live gespielt, uns aber nicht großartig um irgendwas gekümmert. An einem bestimmten Punkt hatten wir den drang, mit der Band etwas neues anzufangen und wir trafen zufällig einige Bläser. So war das.

RT: Stevie, am Telefon hast Du ja gleich zurückgewiesen, daß Ihr eine Glatzen- oder Skaband wäret und Ihr Euch auch sehr dem Punkrock verbunden fühlt. Wie würdet Ihr Eure Musik bezeichnen? Ihr mischt ja verschiedene Stile wie dies schon andere Bands wie Redskins, Butlers oder Kortatu vor Euch taten. Wäre ein Vergleich mit diesen Bands für Euch eine Beleidigung oder Ehre?

NR: Wie schon im Bandinfo gesagt, spielen 2 Skinheads in der Band, was uns schon öfters den Ruf einer "Glatzenband" einbrachte. In der Band gibt es zum Thema Skinheads viele Meinungen, aber es ist uns letztlich egal, wie wir rumlaufen oder welchem Kult wir anhängen, solange wir uns verstehen und grundlegende Einstellungen teilen. Wir stehen alle auf Ska und Reggae und die meisten von uns sind mit dem Punkrock großgeworden. Bands wie Kortatu oder die Redskins sind in unseren Augen nicht nur genial, weil sie tolle Musik gemacht haben, sondern auch, weil sie etwas zu sagen hatten und völlig ungeachtet der Tatsache, ob ihre Inhalte ankamen oder nicht ihre Überzeugungen zum Thema ihrer Stücke gemacht haben. Wenn du uns mit ihnen in Zusammenhang bringst, ist das natürlich für uns eine große Ehre, aber dieser Vergleich ist uns 'ne Nummer zu groß.

RT: Sagt mal was zu Eurem Namen No Respect! Hat er für Euch eine tiefere Bedeutung?

NR: Der Name ergab sich ganz am Anfang, in den 80ern. es war mehr Zufall, aber wir können uns gut damit identifizieren, denn er bedeutet für uns, daß mensch keinen Respekt vor falschen Autoritäten haben sollte.

RT: Ihr singt in Englisch. Warum nicht in Deutsch, so daß mehr Leute Eure Texte verstehen können?

NR: Es gibt gute Gründe in Deutsch zu singen, genauso wie für das Englische. Jeder benutzt das, was ihm am meisten liegt und das ist bei uns nun mal die englische Sprache. Früher hatten wir auch einige deutsche Texte, aber irgendwie kommen wir besser damit klar, unsere Sachen in Englisch zu interpretieren. Es ist leichter zu singen, die deutsche Sprache ist kantig und umständlich, obwohl es einige Bands gibt, die geniale Texte in Deutsch schreiben, z.B. But Alive, Slime und viele andere.

RT: Ihr seid sehr realistisch und habt ernste Texte. Ihr schreibt in Eurem Info auch, daß Ihr mit der "unpolitischen" Szene nichts anfangen könnt. Ihr habt also einen politischen Anspruch!? Erklärt das mal! Und was haltet Ihr von Bands wie Psychisch Instabil, die sich auch gegen "Unpolitische" wenden, die hinter dieser Kulisse ihr rechtes Süppchen kochen und was haltet Ihr von den Attacken gegen Psychisch Instabil deswegen?

NR: Nun, "unpolitisch" gibt es zum einen nicht, denn Politik bestimmt unser aller Leben, ob wir wollen oder nicht, und egal was mensch tut, es hat Einfluß/ einen Effekt, und sei es die Tatsache, daß sich an den Verhältnissen nichts ändert, weil Deppen meinen, es geht sie alles nichts an und sie wollen nur saufen.

Selbst das ist dann politisch; die Scheiße hinnehmen. Eigentlich ist unpolitisch nur 'ne Ausrede von Trotteln, die zu blöd sind, um sich eine Meinung zu bilden oder zu feige, um zuzugeben, daß sie rechte Arschlöcher sind. Psychisch Instabil haben natürlich recht und es ist notwendig, daß das Thema "unpolitisch" angesprochen und kritisiert wird. Ob das Leuten nun paßt oder nicht, ist doch egal, die Welt ist eben voller Arschlöcher. Politischer Anspruch? Nun ja, gegen Rassismus und Nazikacke zu sein, ist selbstverständlich, und gegen Ausbeutung durch Bonzen und Verarschung durch Politiker und Medien anzugehen auch, da braucht es nicht mal 'nen Anspruch. Wir denken, daß unsere Musik recht gut die verschiedenen Seiten unseres Lebens widerspiegelt, zum einen Spaß und Freude am Leben, andererseits aber auch die ernsten Themen, ohne dabei platte Parolen von uns zu geben.

RT: Seid Ihr nicht gefrustet von all dem Scheiß, der in unserem Land bzw. auch in unserer "Szene" abgeht? Wie geht Ihr mit dem täglichen Stumpfsinn und der Heuchelei um? Was ist Eurer Meinung nach das beste Mittel gegen Trübsalblasen und Resignation? Wie bewahrt Ihr Euch Euer Rückgrat und Euren Humor?

NR: Kurz darauf zu antworten ist sehr schwer. Natürlich sind wir gefrustet, daß immer mehr Scheiße passiert, wie z.B. zunehmender Sozialabbau bei steigenden Gewinnen des Kapitals, Rechtsruck in der ganzen Gesellschaft und vor allem das völlige Fehlen von Widerstand. Was bleibt einem übrig, als zu resignieren, wenn nur die IG Metall gegen das Sparpaket auf die Straßen geht und den Menschen zu Solingen und Mölln nur Lichterketten einfallen? Auch wir sehen keinen Sinn mehr darin, auf jede Demo zu rennen, die immer gleichen Parolen zu gröhlen und zu sehen, daß sich nichts bewegt. Wir können uns glücklich schätzen, in einer Nische zu leben, in der es ein bißchen besser ist als "draußen", von der aus man sich den Schwachsinn mit einer Handvoll netten Leuten und einer gehörigen Portion Ironie reinzieht. Humor ist wichtig, um nicht zu verblöden, auch Humor, bei dem mensch über sich und die eigene Szene lachen kann. Rückgrat? Sollte mensch sich selber suchen und finden, alles andere kommt und geht nämlich und was dann? Auf einmal stehst du da und fühlst dich verloren - dann hast du wohl was falsch gemacht... Auf jeden Fall setzt der Stumpfsinn um einen rum uns zu und es ist schwer, sich dem zu entziehen, aber darin liegt unter anderem der Sinn vom Ganzen, oder?

RT: Es ist ja sehr selten, daß Glatzen unter dem Anarchie - Banner spielen. In anderen Ländern sind linke Glatzen bzw. Glatzenbands ja keine Seltenheit. Wie sieht' s da mit Euren Erfahrungen aus?

NR: Für uns ist Anarchie nach wie vor die Idee oder Utopie, der wir am nächsten stehen. Natürlich verstehen wir darunter nicht Chaos und Gewalt, sondern das Konzept einer möglichst freien Gesellschaft, in der der einzelne Mensch Verantwortung trägt, im Gegensatz zum Kommunismus, in dem die Partei immer recht hat. Nette linke Glatzen haben wir überall getroffen, es kommen auch öfters welche zu unseren Gigs, von wegen Ska/Punk, und es scheint in jeder Gegend korrekte Leute zu geben.

RT: Welche Reaktionen gab' s bisher auf Euer Tape? Wie oft hat es sich bisher verkauft? Wie kommen die Leute mit Eurem Stil-Mix zurecht?

NR: Auf unser Tape haben wir bisher durchweg positive Reaktionen bekommen. Obwohl wir uns kaum um den Verkauf gekümmert haben, ist das Teil 500 mal über den Tisch gegangen. Es hat den Anschein, als ob nicht nur wir an unserer Musik Spaß haben. Wir mischen nicht bewußt irgendwelche Stile, sondern machen das, wozu wir gerade Lust haben, keinen astreinen Ska und auch keinen Punk, auf die Konzerte kommen Leute aus den verschiedensten Ecken und amüsieren sich und das freut uns.

RT: Gab' s schonmal Streß mit Faschos auf Euren Konzerten?

NR: Bisher hatten wir auf unseren Konzerten keinen Streß mit Faschos, ansonsten natürlich schon.

RT: Eure musikalischen und politischen Vorbilder?

NR: Wenn Du mit "Vorbildern" Leute meinst, die uns etwas bedeuten, deren Musik uns seit langer Zeit begleitet, oder die uns wichtig sind, dann wären da z.B. die Redskins, Clash, Slime, Crass, Angelic Upstarts, Vater Abraham und die Schlümpfe und viele andere zu nennen. Politisch sind es Menschen, vor allem die unzähligen Unbekannten, die gegen Unterdrückung und Ausbeutung gekämpft und dafür sogar ihr Leben geopfert haben. Es gibt für uns Leute, die wir bewundern, aber Vorbilder im Sinne von Menschen, die wir als "Idole" ansehen, haben wir nicht.

RT: Hat wer von Euch auch schon andere Banderfahrung?

NR: Wir alle hatten unterschiedliche Banderfahrungen im Laufe der Jahre, von Blaskapelle über Reggae bis Punk war da alles dabei.

RT: Göttingen ist ja nun eher 'ne linke Metropole. Wie lebt es sich so in Göttingen als Glatze bzw. Punk? Gibt es Mißverständnisse mit Autonomen oder ausländischen Jugendlichen?

NR: Göttingen ist ein relativ kleines Nest, in dem ziemlich viel los ist und die meisten Leute kennen sich untereinander, wir persönlich haben da wenig Probleme, es kann dir als Glatze natürlich passieren, daß du komisch angeguckt wirst. Göttingen ist nach wie vor eine linke Hochburg - zum Glück - rundherum gibt es allerdings einige Käffer, in denen es viele organisierte Faschos gibt. Wir sind seit langer Zeit Teil der linken Szene in dieser Stadt und daher selten Gegenstand von Mißverständnissen. Es gibt schon mal Gelegenheiten, wo mensch uns anpubt, weil wir für Nazis gehalten werden, aber es war nie ein Problem, diese Unklarheit auszuräumen. Davon abgesehen ist es gut, wenn Leute rummaulen, wenn sie Nazis sehen und damit können wir gut leben. "Die Szene" gibt es in Göttingen nur noch bedingt, es hat sich alles sehr aufgeteilt, in Hardcore-Autonome, Spaßfraktion, Punker und Leute, die zwischen allen Stühlen sitzen. Wie in anderen Städten auch, hat es auch hier Spannungen zwischen den verschiedenen Gruppen gegeben. Skinheadmäßig gibt es verschiedene Gruppen, leider auch Boneheads, zumeist jüngere unpolitische Oi! Glatzen und eine Gang von linken und SHARP-Skins.

RT: Wo wird man Euch in den nächsten Monaten bewundern können? Spielt Ihr auch für lau (also Pennplätze, Spritgeld und Freibier)?

NR: Wir stecken z.Zt. in den Vorbereitungen für unsere Aufnahmen, haben noch ein paar Gigs und spielen immer, wenn unsere Unkosten gedeckt sind. Wir machen keine Musik, um Geld zu verdienen, aber auch nicht, um draufzuzahlen. Soligigs haben wir immer gespielt und halten das auch weiter so. Wenn die CD mal fertig ist, wollen wir natürlich vermehrt auftreten, wobei unser Problem darin besteht, daß alle arbeiten und wir deshalb nur begrenzt Zeit haben.

RT: Was würdet Ihr in Deutschland, wenn Ihr könntet?

NR: Hypothetische Frage. So ziemlich alles. Eine knappe Antwort gibt' s da nicht, außerdem waren wir schon am Glühweinstand und es ist spät.

RT: Was würdet Ihr gerne gefragt werden und was wäre Eure Antwort?

NR: Sind wir hier bei Bravo? Sind Sie für den täglichen Wechsel von Fett in deutschen Friteusen? Ein entschiedenes Nein!

RT: Ihr schreibt, daß Ihr im Winter ins Studio gehen wollt und eine CD aufnehmen wollt. Erzählt mal mehr drüber!

NR: Tja, 14 Stücke sollen drauf, Anfang März soll sie fertig sein und bei Nasty Vinyl in Hannover rauskommen. NV sind eigentlich ein Punkrocklabel, mit uns machen sie das erste Mal etwas anderes. Das Ding wird eine CD, weil es billiger ist, Vinyl wäre uns auch sehr recht...

RT: Was war die letzte Platte, die sich einer von Euch gekauft hat? Was für Zines lest Ihr so?

NR: Zines...alles mögliche. Plastic Bomb, Skin Up, Ox, Zap, Übersteiger, Splitter...Letzte Scheiben waren Rancid, No Use For A Name und Teengenerate.

RT: Wie findet Ihr das Revolution Times und die Idee von RASH?

NR: Wir fanden beides klasse. Es ist gut, daß es ein Skinhead-Zine gibt, das klar linke, antikapitalistische Positionen vertritt, interessant und viel Infos über Bands und Leute. Ein neuer Sponsor zwecks Layout wäre nicht schlecht. Viele Interviews haben wir noch nicht gegeben, aber auf jeden Fall merkt man an Deinen Fragen, daß Du Dir Gedanken gemacht hast. Es hat uns gefreut, daß Du mehr wissen willst als nur oberflächlichen Quatsch über Bandbesetzung, Alter und Lieblingsbier.

Die Idee von RASH ist nett, bisher haben wir nicht viel davon mitbekommen, außer bei der 1.Mai-Demo in M' Gladbach, wo die 2 Kurzhaarigen aus der Band waren.

RT: Mal ein paar kurze Statements zu: a) Antifa-Demos? Feine Sache. b) Stalin? Arschloch. c) Hammer"skins"? 9mm. d) Böhse Onkelz? Langhaarige Trottel. e) Uhl & Dim Rec.? Häh? Wer? f) Fußball? Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg, nie wieder 2.Liga. Ein Hoch auf den glorreichen FC St.Pauli! g) Helmut Kohl? Wähle b) oder c)! h)Anarchie? "even if the future' s dark..." i) Sozialismus? Sozialismus an sich ist eine gute Idee, Staatssozialismus ist Scheiße j) Sex? Eine der schönsten Begleiterscheinungen des Lebens k) Lieblingsbier? Guiness, Jever, Beck' s l) Lieblingsdroge? Bier, Hasch, Böklunder m) Bundestagswahlen? Jedesmal Scheiße! n) Veganismus? Völlig in Ordnung, aber nichts für uns o) Sexismus? ist scheiße, keine Frage

RT: Gewaltige letzte Worte, die Ihr noch loswerden wollt!?

NR: Viele Grüße aus Göttingen, viel Glück für Eure weitere arbeit und hoffentlich bleiben wir in Kontakt.

(aus Revolution Times # 5)

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