Auschwitz als Alibi
Kritik des bürgerlichen Antifaschismus

**Das System hat keine Fehler, es ist der Fehler!**

"Erst sollten wir Polizistenmörder, dann Kampfhunde fangen, nun Rechte, und im Herbst sind es wieder Demonstranten."
Rainer Wendt, Deutsche Polizeigewerkschaft in Freies Wort vom 11. August 2000

Gerade angesichts der Tatsache, dass einige Antifas und Linke eine gewisse Erwartungshaltung an den Tag gelegt und Forderungen an den Staat gerichtet haben, die bisher nicht erfüllt wurden, gilt es die Politik des Staates auf seine Aufrichtigkeit und Zielrichtung hin zu untersuchen.

Unserer Meinung nach ist das System nicht Teil der Lösung, sondern selbst das Problem. Dieses System hat keine Fehler, sondern es ist der Fehler. Denn jedes System funktioniert, wie es organisiert ist. Es nützt also nichts "mangelndes" Durchgreifen oder "mangelnde" Erkenntnis staatlicher Stellen anzuprangern oder zu beklagen. Wer so etwas tut, beweist nur, dass er den Charakter des Kapitalismus nicht erkannt und noch Illusionen in den Staat und das System der BRD bzw. dessen Reformierbarkeit hat. Denn der Kapitalismus in der BRD ist genauso wenig wie der Kapitalismus in anderen Ländern darauf ausgerichtet, dass es uns gut geht bzw. uns ein angenehmes Leben zu ermöglichen, sondern er ist auf Verwertung und Profit ausgerichtet. Nach den Erfordernissen und Gesichtspunkten der Verwertung nimmt er rassistische Züge an oder richtet sich gegen Rassismus - aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten heraus, wie auch die Debatte um die Zuwanderung verdeutlicht. Wenn das Establishment der BRD sich nun für "Toleranz" und gegen Rassismus ausspricht, darf daraus nicht gefolgert werden, dass das Establishment bzw. Teile von ihm prinzipiell auf der antifaschistischen Seite als unser Bündnispartner stehen würden. Dem widerspricht schon allein der Alltag des staatlichen Rassismus.

Der Staat, das Kapital und die Politiker sind nicht Teil der Lösung, sondern Teil des Problems. Sie haben in den 90ern durch ihre leidige Asyl- und "Standort Deutschland"-Debatte ein gesellschaftliches Klima geschaffen, in dem rassistisches Gedankengut auf fruchtbaren Boden fiel, faschistische und national-konservative Parteien Wahlerfolge verbuchen konnten und Übergriffe von Rassisten und Nazis zur alltäglichen Normalität wurden. Das Recht auf politisches Asyl wurde de-facto nahezu abgeschafft, die Ostgrenze wurde hermetisch abgeriegelt und der Staat aufgerüstet (z.B. "Grosser Lauschangriff"). Ab 1994 wurde dann staatlicherseits gegen "ausländische Kriminelle" oder "reisende Straftäter" gehetzt. Es folgten Kampagnen gegen "kurdische Terroristen", "illegale Beschäftigte", "illegale Einwanderer", "Sozialschmarotzer" und "organisierte Kriminelle". In den Jahren 1999 und 2000 fand diese Politik ihre Fortsetzung in der Debatte um die doppelte Staatsbürgerschaft (erinnert sei an die Unterschriftenkampagne von dem CDU-Politiker und jetzigen hessischen Ministerpräsidenten Koch) und um die Green Card (sowohl der Slogan von CDU-Rüttgers "Kinder statt Inder" als auch der rassistische und menschenverachtende Charakter der Green Card selbst, welche nur für Menschen ausgegeben wird, welche das Kapital aufgrund ihrer Ausbildung und ihres Wissens verwerten kann).

Geldgeber und Unterstützer haben faschistische Organisationen und Parteien auch gerade in den höchsten Rängen der Wirtschaft. So zählt die Firma Dr. Oettker etwa dazu oder der Solinger Bauunternehmer Kissler (der DVU-Chef Frey ist selbst Multimillionär). Ganz davon abgesehen ist der Staat seit langem am Aufbau faschistischer Strukturen direkt und indirekt beteiligt.

Der Staat bzw. sein "Verfassungsschutz" unterhält ein Netz von V-Leuten in der rechten Szene, bezahlt diese, bezahlt Teile ihrer Aktionen, gibt ihnen Informationen, etc. Durch Zufälle sind einige Namen von V-Leuten, die sich in guten und führenden Positionen, zumeist Schnittstellen innerhalb der Naziszene, befunden haben und dort diese Szene mit aufgebaut haben, bekannt geworden. Eine bedeutende Rolle spielten so Nazis wie Carsten Szcepanski, Thomas Dienel oder auch Bernd Schmitt. Bei einigen faschistischen Übergriffen tauchten auch immer wieder Gerüchte über V-Leute auf: sei es nun im Fall des Brandes des Flüchtlingsheimes in der Lübecker Hafenstrasse oder beim Brandanschlag in Solingen.

So erhielt der Thüringer Nazi Dienel von 1996 bis 1997 ein Honorar von 25.000 DM für seine Informantentätigkeit, die er als "Spende" für die Nazi-Szene ansah. Er erhielt eigenen Angaben zufolge auch Unterstützung bei laufenden Gerichtsverfahren und Informationen über Polizeieinsätze und Ermittlungsverfahren. Es hiess, man könne Gerichtsverfahren von ihm fernhalten. Das Geld setzte er u.a. ein, um eine eigene Zeitung herauszubringen und um aktive Gewerkschafter einzuschüchtern.

Der Bonehead Carsten Szcepanski, Herausgeber des Nazi-Zines "United Skins", verfügte über gute Kontakte zur englischen Nazi-Terrorgruppe "Combat 18", zu schwedischen Nazis, "Blood & Honour" und den "Hammerskins". Er hat jahrelang die Nazi-Szene in Brandenburg (speziell in Königs-Wusterhausen) aufgebaut und war an gewalttätigen Ausschreitungen gegen Ausländer und Andersdenkende beteiligt. Er erhielt Strafmilderung und monatlich 1.000 DM für seine Dienste.

Andere Beispiele dafür, dass Nazis in wichtigen Positionen unterstützt wurden, sind die Fälle von Matthias Meier (seines Zeichens ehemaliger stellvertretender NPD-Landesvorsitzender aus Stralsund), der behauptete der Landesverband sei informiert gewesen, oder etwa der Fall des Michael Wobbe, der in der NF tätig war und eine unabhängige Kameradschaft gründete. Die Wehrsportgruppe "Heimatschutzkorps der Waffen-SS in Ostwestfalen-Lippe" wurde ebenfalls von einem VS-Mann, Peter Schulz, gegründet. Der VS-Informant Schmitt baute in Solingen den "Deutschen Hochleistungs-Kampfkunstverband" auf, der ein Sammelbecken von Nazis wurde und aus dem auch einige der Täter des Solinger Brandanschlages stammten.

Die gezahlten Honorare kamen nicht selten dem Aufbau von Nazi-Strukturen zugute. Ebenso war es in der Vergangenheit nicht selten, dass V-Leute erst Nazi-Strukturen ins Leben riefen und die leitenden Köpfe in ihnen waren. So hat der VS, der eigentlich die Verfassung "schützen" und Informationen über die Nazis beschaffen soll, deren Strukturen aufgebaut, gefördert und geschützt. Somit ist der VS ein Teil des Problems und zeigt, dass der Staat ein Interesse am Bestehen und Entstehen von Nazi-Strukturen hat, die er teilweise selbst herangezogen hat. Wenn der Staat nun eingreifen will, muss darauf hingewiesen werden, dass der Staat seit Jahren am Aufbau der Naziszene beteiligt war und ist. Die oben genannten Beispiele sind nur einige von vielen und stellen wohl nur die Spitze des Eisbergs dar. Wenn der VS nun verstärkt die Szene infiltrieren soll, ist in der Zukunft einiges (an neuen Enthüllungen) zu erwarten - nur keine Entwarnung.

*

Der Staat ist - gemäss der "Financial Times Deutschland" - der grösste Geldgeber der Nazis und rechtsextremer Parteien. So erhielten die "Republikaner" 1999 5,87 Millionen DM, die DVU 2,65 Millionen DM und die NPD 1,16 Millionen DM aus staatlicher Teilfinanzierung; nicht zu vergessen sei, dass auch Spenden steuerlich absetzbar sind.

Ähnlich verhält es sich mit der "akzeptierenden Jugendarbeit mit rechten Jugendlichen". So erhalten rechte Jugendliche staatlich gefördert Jugendclubs, die von Sozialarbeitern betreut werden, die dann mit den Jugendlichen z.B. in der Vergangenheit auch zu Nazi-Aufmärschen gefahren sind. In den Clubs werden meist organisierte Nazis geduldet oder es sind sogar solche als Sozialarbeiter angestellt. In Delitzsch wurde zuletzt dem örtlichen Kopf einer Gruppe von Nazis eine solche Stelle angeboten. So wird den Nazis staatlicherseits die Möglichkeit gegeben Kids zu beeinflussen und zu organisieren.

In den Wochen der "antifaschistischen" Empörung hiess es staatlicherseits, es sollten mehr Angebote für Jugendliche wie z.B. Jugendclubs geschaffen werden. Nur hat die Bundesregierung seit Jahren Geld im sozialen Bereich gestrichen und viele Clubs selbst geschlossen. Anfang Januar war in der jW bereits wieder von neuen Kürzungen zu lesen, nach denen beispielsweise allein in der Prignitz von 14 Jugendeinrichtungen mindestens vier geschlossen werden sollten (jW vom 3. Januar 2001). Ebenso schaut es mit dem Hinweis der bürgerlichen Politiker aus, die "Ausländerfeindlichkeit" könne durch Aufklärung behoben werden. Die Unwissenheit und die Vorurteile, welche die Politiker hier bekämpfen wollen, haben sie selbst jahrelang gepflegt.

All dies, d.h. die sozialen und politischen Rahmenbedingungen betrachtend, kann man zurecht sagen, dass das System der Fehler ist.

Kontakt: revtimes@gmx.net


LINKS zu anderen Homepages

Und hier geht es zum Seitenanfang

Und zurück zur Revolution Times-Startseite