Billy Bragg

Live in der Großen Freiheit 36, Hamburg 26.3.97

Billy Bragg, eine Legende kehrt zurück. Was, ihr kennt ihn nicht? Da habt ihr aber was versäumt. Also, dann werde ich für die Unwissenden unter euch etwas weiter ausholen. Die anderen können ja den folgenden Absatz überspringen.
Also, Billy Bragg gehört seit der ersten Hälfte der achtziger Jahre zu den politischsten und bekanntesten One-man acts in Großbritannien. Der Londoner wurde vor 39 Jahren geboren und ist bekennender Fan des FC West Ham. Einen Namen machte er sich mit seiner ersten Maxi: Live' a riot with spy vs. spy. Darauf befand sich der Hit A new england, den man ab und zu noch in einer gut geführten Indie Disco hören dürfte. Stilistisch gesehen kann man Billy, obwohl er meist nur alleine mit Gitarre auftritt, (seltener auch mal mit seiner Begleitband the red stars) auf keinen Fall der unsäglichen Liedermacher Klampfenbrigade zurechnen. Ich würde ihn eher als vom Punk beeinflußten working class Folk-Poet bezeichnen. Ein Vergleich mit Attila zieht zwar nicht vollkommen, aber er geht eher in diese Richtung als in Richtung Wolf Biermann (würg). Jedenfalls spielt er seine Gitarre ungeheuer kraftvoll und krachig, daß jeder Punker daran seine Freude hätte. Getourt ist er übrigens in den Achtzigern mit unser aller Lieblinge, den Redskins sowie den Neurotics und Attila. Bei den Redskins ist Billy auch öfter als Gitarrist eingesprungen. Im Unterschied zu den Redskins war Billy jedoch nie Mitglied der trotzkistischen SWP, sondern stand eher dem linken Labour-Flügel nahe. Wie jeder anständige Musiker spielte auch Billy auf Solidaritätskonzerten für die streikenden Miner.
O.K. jetzt zum Konzert: Man war ja reichlich gespannt, ja fast skeptisch, da die in den Neunzigern von Billy Bragg erschienenen Tonträger ziemlich schlaff waren. Ehrlich gesagt, fürchtete ich, daß Billy mit irgendwelchem Singer/Songwriter-Mist ankommen würde. Jedenfalls war die Große Freiheit ausverkauft, leider ein ziemlich beknacktes Middle Class Publikum anwesend und fast keine subkulturelle Masse, aber schließlich traf man doch noch den einen oder anderen Weltrevolutionär oder Barrikadenbauer. Vorband gabs keine, aber das machte nix, denn als Billy loslegte, war die Masse gleich guter Laune und die Stimmung schäumte über. Das schöne an Billy Bragg Konzerten sind die Geschichten und Kommentare, die er zwischen den Liedern von sich gibt. Diese Storys nehmen, rein zeitmäßig, fast die Hälfte des Programms ein. Jedenfalls hatte jeder, der nur einigermaßen englisch konnte und sein Herz auf dem linken Fleck trägt, ordentlich was zu lachen. Es gab allerhand Kommentare zu Klassenkampf, DDR-Klopapier, Ziegenbärten, Gewerkschaften, Neofaschismus und über noch viele andere Sachen zu hören. Jedenfalls lag ich fast auf dem Boden vor lachen.
Eine Anekdote dürfte vielleicht auch euch interessieren. Also, Billy Bragg war ja wie ihr wißt in den achtziger Jahren mit den Redskins auf Tour. Als die Tour Deutschland erreichte, übersetzten die Redskins, alle ihre Ansagetexte auf deutsch. Alle diese Texte waren jedoch rein politisch ohne den geringsten Witz. Denn, so Billy: "You know, they were trotzkyists and trotzkyist have absotutly no homour." Trotzdem bogen sich die damalige Zuschauer vor lachen. Tja, so kann es kommen, liebe Freunde von Lev Bronstein. Das Konzert dauerte jedenfalls recht lange und auch nach zwei Zugaben verlangte die Meute nach mehr. Also kam Billy, obwohl schon längst das Licht an war, wieder auf die Bühne, nachdem ihn der Mob fünf Minuten lang herausgebrüllt hatte. Musikalisch wurde ich kaum enttäuscht. Billy spiele fast alle seine wichtigen Lieder inklusive meines Favoriten there's power in a union. Von seinen neuen Liedern spielte er zum Glück nicht soviel und davon war auch nicht alles Müll. Lediglich ein Schlaflied, das er für seinen kleinen Sohn geschrieben hatte nervte total. Was unsere Party Fraktion freuen wird: in seinem neusten Lied, das pünktlich zur Unterhaus Wahl in GB rauskommen wird, geht es nur um Sex und Fußball. By the way: Billy Bragg ist neben West Ham auch St. Pauli Anhänger. OK, ich kann nur jedem empfehlen der sich einen netten Abend machen will mit gutem Humor, guter Musik und linker Agitation: Tu Dir Billy Bragg live rein! Käptn Schw@rzkappe

(aus Revolution Times # 7)

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