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Umweltproblem Wasserkraft: Ein Beispiel aus Nordnorwegen

Ein Kraftwerk zwischen Gletschern und Grotten?




In den meisten Gebieten, wo neue Wasserkraftwerke gebaut werden sollen, regt sich Widerstand unter den Einheimischen. Das war auch in den Gemeinden um den Nationalpark Saltfjell-Svartisen am Polarkreis so. Nach über 20 Jahren Engagement gegen das Projekt inmitten einzigartiger Gletscherlandschaft hatte eine lokale Buergerinitiative erreicht, dass die norwegische Regierung im vergangenen Jahr endgültig Nein sagte zu weiteren Wasserkraftprojekten in dem Gebiet.


Die Regierung wies in ihrer Begründung der Ablehnung auf die gesellschaftlichen Veränderungen der letzten 20 Jahren hin. Diese hätten die Regierung veranlasst, die Bedeutung der Natur höher zu bewerten als früher. "Die Regierung wollte sich dagegen vesichern, dass sich das Projekt nicht im Nachhinein als ernsthafte Fehlentscheidung erweise (...) Der Nutzen der Eingriffe ist nicht gross genug, um die Eingriffe in die Natur zu legitimieren."

1987 hatte die Regierung grünes Licht für den Ausbau von vier Flüssen gegeben. Seitdem die Ausbaupläne Anfang der 70er-Jahre bekannt geworden waren, hatte sich Widerstand formiert. Die Konzessionserteilung für den Ausbau der Flüsse war bereits ein Kompromiss. Die Regierung hatte beschlossen, als Ausgleich das angrenzende Gebiet um den Svartisen-Gletscher und Teile des Hochgebirgsplateus Saltfjell zum Nationalpark zu erklären.

Die Bürgerinitiative Folkeaksjonen Spar Saltfjellet war zufrieden. So zufrieden, dass sie sich gleich auflöste. Das lag auch daran, dass der Kraftwerkbetreiber Statkraft nur einen der vier Flüsse nutzen wollte, da der Bedarf nach Energie nicht so gross war. Doch 1998 kramte Statkraft die gut zehn Jahre alten Pläne hervor: Der Energieverbrauch steige, Norwegen drohe eine Unterversorgung an Energie, war die Begründung von Statkraft. Die Ausbaugegner sahen dies anderes. Die Frist für den Beginn des Kraftwerkbaus drohte abzulaufen. Würde Statkraft über 2000 hinaus den Beginn des Kraftwerkbaus hinauszögern, so Hannes Wakolbinger, müssten neue Untersuchungen betreffend Umweltbelastung und dergleichen eingeholt werden. Im Nu hatte sich die Bürgerinitiative wieder formiert.

Wenige Monate vor ihrem Sieg hatte die Folkeaksjon ein schönes Büchlein heraus gegeben, in dem sie das Gebiet vorstellen, ihren Widerstand begründen. Unter den Autoren befinden sich Lehrer genauso wie mehrere Bauern, ein kommunaler Sportreferent, ein österreichischer Ethnologe oder ein pensionierter Konservator. Der Widerstand hatte breite Verankerung in der Lokalbevölkerung. Auch die Kommunalpolitiker waren nicht mehr für das Projekt. Anfangs hatten sich die Kommunen wirtschaftliche Vorteile vom Ausbau versprochen. Doch Änderungen in der Steuerpolitik bevorzugten den Staat und den Kraftwerksbetreiber zu Lasten der Kommunen. 1991 wurde Wasserkraft zu einer Ware. "Strom wird heute produziert, um Geld zu verdienen und nicht mehr um der Industrie oder der Gemeinschaft zu dienen," schreibt Gaute Dahl, der Leiter der Bürgerinitiative.

Der Initiative ging es darum, die "im internationalen Massstab einzigartige Gletscher- und Karstlandschaft" für kommende Generationen zu bewahren. Forscher aus vielen Laendern reisen regelmässig an, um dort den glazialen Formenschatz und das Vogelleben am Delta des Langvassflusses zu studieren. Letzteres haette ein Ausbau des Flusses trocken gelegt. Dies hätte auch das Aus für die Wildlachsbestände bedeutet, die sich an das Leben in eiskaltem Wasser angepasst haben und nicht mit einer Erwärmung des Flusses durch den Ausbau zurechtkommen.

Fünf Jahre haben die Saamen gegen das Projekt gekämpft. Das Saltfjell-Hochplateau ist das wichtigste Gebiet für die Rentierwirtschaft im südlichen Nordnorwegen - und eines der letzten, das den Saamen verblieben ist, nachdem sie durch den Bau des neuen Europaweges 6 und durch steigenden Zugsverkehr aus anderen Gebieten vertrieben worden waren. Besonders wichtig sind die Weidemöglichkeiten um den Ramskjell-See geworden. Die Ausbaupläne hätten eine Dämmung des Sees vorgesehen. Die Folgen: ein erhöhter Wasserstand von sieben Metern, Verlust von wichtigem Weideland. Im Winter sollte der See nach und nach um 40 Meter abgesenkt werden. Dabei würden sich nur dünne Eisschichten bilden, die weder Menschen noch Tiere tragen. "Alle werden verstehen, was dies für die Wanderwege der Rentiere über den See bedeutet. Der See wird zu einem grausamen Tiergrab", so Saamen-Aktivist Per Adde.

Gaute Dahl weist darauf hin, dass die einseitige Ausrichtung auf Wasserkraft ein Hindernis darstelle für eine Neuorientierung der Energiepolitik. Förderung alternativer Energiequellen (Erd- und Seewärme, Sonnen- und Gezeitenkraft) und Massnahmen für einen effektiveren Umgang mit Energie würden hinaus gezögert.

Ethnologe Hannes Wakolbinger bringt noch ein weiteres Argument gegen das Projekt ein, das oft vernachlässigt wird: Die Bedeutung von Natur als Ort der Entspannung und Genuss für immer mehr Menschen. Wakolbinger hat für seine Magisterarbeit in Ethnologie über das Verhältnis der Menschen zur Natur in dem Gebiet geforscht. Obwohl Naturerlebnisse sehr persönlich seien, schreibt er, ähneln sich die Beschreibungen persönlicher Lieblingsgegenden. In ihnen dominieren folgende Elemente: Vegetation und - Wasser.





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Lorenz Khazaleh, 16. Januar 2002, aktualisiert 30.1.2003