Die Inuit und die Arktis - eine Einführung






Wer sind die Inuit?

Eskimo und Inuit sind Bezeichnung für ein und dieselbe Gruppe von Menschen, die die nördlichsten Gebiete der Erde bewohnen. Inuit gibt es in Alaska, Kanada, in Grönland und auf dem Alaska angrenzenden Zipfel Sibiriens. Meist bringt man ihr Siedlungsgebiet mit der geografischen Bezeichnung Arktis in Verbindung. Das trifft nicht unbedingt zu. Es kommt darauf an, wie man Arktis definiert. Das Wort "Arktis" stammt ab vom "arctos", der griechischen Bezeichnung für Bär aus dem Sternbild des Grossen Bären. Aus seiner Stellung am Himmel konstruierte man den Polarkreis, und daher kommt also die Definition der Arktis als das Gebiet nördlich des Polarkreises. Eine weitere Definition kommt aus der Meteorologie und nimmt die Juli-Temperaturen als Massstab. In der Arktis befindet man sich, liegen die Durchschnittstemperaturen im Juli unter 10 Grad. Eine weitere Definition nimmt die Baumgrenze als Grenze, die in Nordamerika und Eurasien bis zu 200 Kilometer südlich von der 10-Grad-Grenze liegen kann (mehr darüber).

Die Benennung von Menschengruppen ist oft willkürlich. Meist stammt sie von Reisenden, Missionaren, Kolonialbeamten oder Ethnologen - Aussenstehenden in der Regel. Wenn die Wissenschaft Menschen von Grönland bis Alaska einheitlich Inuit nennt, so hat das linguistische Gründe. Sie sprechen alle dieselbe Sprache, auch wenn die Unterschiede mit der Entfernung zunehmen und Alaska-Inuit die Grönland-Inuit nicht besser verstehen wie Zürcher einen Walliser oder ein Norddeutscher einen Bayern. Kulturell sind sie jedoch keine Einheit, und jede Zusammenstellung von "typischen Inuit-Kulturmerkmalen" wie dies fruehere Ethnologen wie Kroeber (1939:23) taten, wird unbefriedigend sein, da es diese Merkmale auch bei vielen anderen Gesellschaften zu finden sind.

Innerhalb der Inuit gibt es sehr viele verschiedene Gruppen, und es lässt sich nicht von der Inuit-Kultur reden. Die Unterschiede lassen sich wie folgt charakterisieren. Sie sind u.a. begründet in:

a) geografische Lage I: Naturgegebenheiten
b) geografische Lage II: Stadt oder Land
c) politische Lage: politische und ökonomische Verhältnisse im jeweiligen Staat, in der die Inuit-Gruppe wohnt
d) Geschichte

Es ist einleuchtend, dass z.B. das Leben der Polareskimo im äusserten Norden Grönlands, wo das Meer 9 von 12 Monaten vereist ist, ein anderes ist im Vergleich zu dem der Pazifikeskimo an der nordamerikanischen Westküste, wo das Meer meist eisfrei ist. Genauso gibt es Inuit-Gruppen, deren Leben sich auf das Binnenland konzentriert, während andere ihre Zeit am und im Meer verbringen. Viele Inuit leben heute in Städten und gehen Berufen nach wie Du und Ich. Die Inuit-Gemeinschaft ist auf mehrere Staaten verteilt - und jeder Staat prägt mit seinen Rahhmenbedingungen das Leben eines jeden einzelnen.

Hier ist es wichtig, Geschichte einzubringen. Das Leben der Inuit hat sich immer wieder verändert - nicht nur in der heutigen Zeit. Wenn wir von "den Inuit" reden, müssen wir immer wissen, von welchen Inuit wir reden: von den heutigen, denen des 19. Jahrhunderts oder des 9. Jahrhunderts. Das betrifft auch den Raum. Denn Inuit sind viel umher gezogen. Ethnologe Dumond schreibt, dass z.B. weder "vorgeschichtliche" Besiedlungsgebiet der Inuit, weder das spätere und das heutige als eine Culture Area bezeichnet werden.

Eine für die Ethnologie, eine Wissenschaft, die Geschichte oft vernachlässigt, typische Einteilung ist die vom dänischen Inuit-Forscher Kaj Birket-Smith. Seine Einteilung ist klimatisch: Er redet von der hocharktischen, der subarktischen Kultur und vom inländischen Kulturtypus. In Standard-Handbüchern wie jenem über die North American Indians geht man rein geografisch vor. Dort ist z.B. die Rede von den Central Eskimos (Zentralkanada), den Pacific Eskimos (Nordwestküste Alaskas) oder von den Polar Eskimos (Nordwestküste Grönlands). Ich finde, zum Einstieg sind diese klimatisch-geografischen Einteilungen dennoch nützlich.
 

Die "hocharktische Kultur" und der "inländische Kulturtypus"

Die Inuit-Gruppen der hocharktischen Kultur und des "inländischen Kulturtypus" (alles Begriffe von Birket-Smith) haben unser Bild von den Inuit geprägt. Das ist die Region des ewigen Eises - oder zumindest für den grössten Teil des Jahres. Hier gibt es die berühmten Iglus (allerdings sind diese immer nur temporäre Unterkünfte!) und Hundeschlitten. Doch nur ein Teil der Inuit lebt hier - es sind Gebiete der Polar-Eskimos in Nordgrönland, der südlichen Küsten des Baffin-Landes und in Nordalaska. Die Menschen sind dort von der Jagd auf Grosswild und auf Seehunde (an den Atemlöchern!!) abhängig gewesen. Für besonders extreme Verhältnisse sorgt die Polarnacht bei den Polar-Eskimos. Zwei Monate war keine Jagd möglich. Für die meisten Inuit war historisch gesehen das Meer die wichtigste Nahrungsquelle. Eine Ausnahme waren die Inuit-Gruppen im Landesinneren Kanadas und Nordalaskas. Für sie ist die Rentier- oder Karibujagd Grundpfeiler ihrer Oekonomie, Fischfang kommt ergänzend hinzu.
 

Die subarktische Kultur

Erstaunlich viele Inuit leben in milderen Gegenden - fern vom Eis: die Inuit an der Westküste Grönlands, die Pazifik-Inuit in Südwestalaska und die Aleuten-Inuit. Selbst im Winter bildet sich kein Eis - aufgrund warmer Meeresströmungen und des stürmischen Klimas. Hier gibt es Meeressäuger (Sattelrobbe), jede Menge Fische und Vögel. Im Sommer ziehen auch sie auf Rentierjagd.  In vielen Bereichen unterscheiden sie sich von den anderen Inuit, u.a. sprachlich. Auch hat sich dort eine hierarchischere Gesellschaftsform heraus gebildet, wozu unter anderem der Walfang beitrug, wozu ich später kommen werde.
 

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Lorenz Khazaleh, Januar 2001, aktualisiert Januar 2003

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