Reinhard Mey

Das Narrenschiff

Das Quecksilber fällt, die Zeichen stehen auf Sturm
Nur blödes Kichern und Keifen vom Kommandoturm,
Und ein dumpfes Mahlen grollt aus der Maschine.
Und Rollen und Stampfen und schwere See,
Die Bordkapelle spielt Humbatätärää,
Und ein irres Lachen dringt aus der Latrine.
Die Ladung ist faul, die Papiere fingiert,
Die Lenzpumpen lecken und die Schotten blockiert
Die Luken weit offen, und alle Alarmglocken läuten.
Die Seen schlagen mannshoch in den Laderaum,
und Elmsfeuer züngeln vom Ladebaum
Doch keiner an Bord vermag die Zeichen zu deuten.

(Kehrreim:)
Der Steuermann lügt, der Kapitän ist betrunken,
Der Maschinist in dumpfe Liturgie versunken,
Die Mannschaft lauter meineidige Halunken,
Der Funker zu feig' um SOS zu funken.
Klabautermann führt das Narrenschiff, 
volle Fahrt voraus und Kurs aufs Riff!

Am Horizont wetterleuchten die Zeichen der Zeit:
Niedertracht und Raffsucht und Eitelkeit.
Auf der Brücke tummeln sich Tölpel und Einfaltspinsel.
Im Trüben fischt der scharfgezahnte Hai
Bringt seinen Fang ins Trock'ne, an der Steuer vorbei,
Auf die Sandbank bei der wohlbekannten Schatzinsel.
Die ander'n Geldwäscher und Zuhälter, die warten schon,
Bordellkönig, Spielautomatenbaron, im hellen Licht, 
Niemand muß sich im Dunklen 'rumdrücken.
In der Bananenrepublik, wo selbst der Präsident,
die Scham verloren hat und keine Skrupel kennt,
sich mit dem Steuerdieb im Gefolge zu schmücken.

Kehrreim

Man hat sich glattgemacht, man hat sich arrangiert,
All die hohen Ideale sind havariert
Und der große Rebell, der nicht müd' wurde zu streiten,
mutiert zu einem servilen, giftigen Gnom,
und singt lammfromm vor dem schlimmen alten Mann in Rom 
seine Lieder, fürwahr, es ändern sich die Zeiten.
Einst junge Wilde sind gefügig, fromm und zahm,
gekauft, narkotisiert und flügellahm.
Tauschen Samtpfötchen für die einst so scharfen Klauen.
Und eitle Greise präsentieren sich keck
mit immer viel zu jungen Frauen auf dem Oberdeck,
die ihre schlaffen Glieder wärmen und ihnen das Essen vorkauen!

Kehrreim

Sie rüsten gegen den Feind, doch der Feind ist längst hier,
Er hat die Hand an Deiner Gurgel, er steht hinter Dir,
Im Schutz der Paragraphen mischt er die gezinkten Karten.
Und jeder kann es seh'n, aber alle sehen weg,
und der Dunkelmann kommt aus seinem Versteck,
und dealt unter aller Augen vor den Kindergärten.
Der Ausguck ruft vom höchten Mast: Endzeit in Sicht!
Doch sie sind wie versteinert, sie hör'n ihn nicht,
sie ziehen wie Lemminge in willenlosen Horden.
Es ist als hätten alle den Verstand verlor'n,
sich zum Niedergang und zum Verfall verschwor'n,
und ein Irrlicht ist ihr Leuchtfeuer geworden.

Kehrreim

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