EXKURS: Warum die deutsche "Wieder"-
Vereinigung auch im Kino gescheitert ist
Gojko Mitic als Indianer-Häuptling
Osceola, Tecumseh und Ulzana



EIN KAPITEL AUS DIKIGOROS' WEBSEITE
DIE [UN]SCHÖNE WELT DER ILLUSIONEN

(von Filmen, Schauspielern und ihren [Vor-]Bildern)

Kürzlich erhielt Dikigoros eine Mail aus der ehemaligen DDR. (Ja, ob Ihr es glaubt oder nicht, auch dort hat er Leser[innen], obwohl er die Ossis so oft wenig galant durch den Kakao, pardon, der ist ja braun, durch den Rotkäppchen-Sekt zieht :-) Wie kann man nur, wurde er da gefragt, lang und breit über die Fantasie-Figuren eines Carl May schreiben, die zudem noch von Schönlingen gespielt werden, die mit ihren Vorbildern - selbst den literarischen des Autors - kaum mehr gemeinsam haben als den Namen, da es doch in der DDR einige ganz hervorragende Verfilmungen von historisch "echten" Indianer-Häptlingen und ihren traurigen Geschichten gegeben hat, mit einer erstklassigen Besetzung, der die westdeutschen Produkte nicht das Wasser reichen können? Darauf hätte Dikigoros, wenn er schreib- und denkfaul wäre, ein paar einfache Antworten zur Hand: Jeder - ob Ossi oder Wessi - kennt die Bücher des alten Sachsen Carl May, und jeder kennt auch ihre Verfilmungen (schließlich hat der junge Serbe Gojko Mitic in allen drei Winnetou-Filmen mitgespielt, wenn auch nur in Nebenrollen); aber niemand in Deutschland kennt Osceola, Tecumseh oder Ulzana. (Es sei denn, er hätte Fernaus bitterböses Amerika-Buch Halleluja gelesen - da wird Tecumseh wenigstens kurz erwähnt -, oder Caesar läßt grüßen - da nennt er ihn in einem Atemzug mit dem Averner-Häuptling Vercingetorix -; die beiden anderen scheint auch er nicht gekannt zu haben.) Übrigens auch sonst auf der Welt nicht, selbst in den USA: "Tecumseh"? War das nicht der zweite Vorname, der sich hinter dem "middle initial" des berühmt(im Norden)-berüchtigten(im Süden) Bürgerkriegs-Generals William T. Sherman verbirgt? Richtig, aber weiß der Geier, was dessen Eltern auf die Schnaps-Idee brachte, ihren Sohn so zu nennen. Wenn die Amerikaner die Namen von Indianer-Häuptlingen kennen, dann sind das ganz andere: Pontiac, Cadillac, Frontenac, Desoto... schließlich sind das alles bekannte Automarken. Was, Cadillac und Frontenac waren gar keine Indianer, sondern Franzosen, und Desoto war gar ein berüchtiger spanischer Indianer-killer? Na wenn schon, Hauptsache die beiden ersteren reimen sich auf Pontiac - und der war doch wohl ein Indianer, oder? Und überhaupt, schrieb nicht in den 30er Jahren ein deutscher Historiker namens Sieburg ein Buch über jene vier Gestalten und gab ihm den Titel "Frankreichs rote Kinder"? Eben. Und was die Filme über die drei Typen, die Gojko Mitic gespielt hat, anbelangt, auf den haben die Amerikaner gerade gewartet... Ist nicht "Ulzana" bloß ein Plagiat des zwei Jahre zuvor gedrehten US-Films "Ulzana's Raid" von Robert Aldrich? Was, der DDR-Film gibt die historische Wahrheit halbwegs korrekt wieder, während der US-Film pure Geschichts-Klitterung ist (Ulzana - dargestellt von dem unbekannten Joaquín Martínez - spielt da eigentlich gar nicht die wirkliche Hauptrolle, sondern vielmehr der brave Army-Veteran McIntosh, der zwar frei erfunden, aber erstens jedem Amerikaner als Bezeichnung für den gleichnamigen Regenmantel geläufig ist und zweitens von einem echten Star - Burt Lancaster - dargestellt wird), und die beiden Streifen haben außer dem Namen des Titel-Helden nichts gemeinsam? Frechheit - was Wahrheit ist, darüber haben sich die Zuschauer und Kritikaster in Deutschland keine Gedanken zu machen, das bestimmen die Sieger der Indianer-, pardon Weltkriege; und was Wirklichkeit im Sinne von Wirkung ist, bestimmen ohnehin die Filmgewaltigen von Hollywood, basta.

Fakt ist, daß praktisch niemand außerhalb der DDR die drei Filme kennt, die Konrad Petzold, Hans Kratzer und Gottfried Kolditz in den Jahren 1971-74 über Osceola, Tecumseh und Ulzana gedreht haben. (Im immerhin zehnbändigen RoRoRo-Lexikon des Films, das angeblich alle Filme enthält, die in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg im Kino oder Fernsehen gelaufen sind, tauchen sie nicht auf - aber die DDR gehört ja auch nicht zu Deutschland, jedenfalls nicht richtig! :-) Und was Gojko Mitic anbelangt, der in allen dreien die Titelrolle gespielt hat, so könnte Dikigoros sich auf den Standpunkt zurück ziehen, den er in Sachen Emil Jannings vertritt: Der Serbe hat halt zu viele Indianer-Rollen viel zu gut gespielt, als daß ihn das Kino-Publikum mit einer bestimmten hätte identifizieren können. (Außer den drei hier vorgestellten noch den Dakota-Häuptling "Tokei-ihto" in "Die Söhne der großen Bärin" von Josef Mach, den Dalawaren "Chingachgook" in "Die große Schlange" von Richard Groschopp - nach dem Buch von James Fenimore Cooper -, den Dakota-Häuptling "Weitspähender Falke" in "Spur des Falken" von Gottfried Kolditz und in "Weiße Wölfe" von Konrad Petzold, den Häptling "Shave Head [Glatzkopf]" in "Tödlicher Irrtum", ebenfalls von Korad Petzold, und noch einmal den Mimbreño-Apachen Ulzana in "Blutige Rache", ebenfalls von Gottfried Kolditz. Und nach den drei hier vorgestellten Filmen sollte er noch den Cheyenne-Häuptling "Harter Felsen" in "Blutsbrüder" von Werner Wallroth, den "Severino" in "Geheimnis vom Condor-Paß" von Claus Dobberke und den Häuptling "Weiße Feder" in "Der Scout", wieder von Konrad Petzold, spielen.) Viel zu gut? Gar hervorragend? Nun ja, für DDR-Verhältnisse kann man das durchaus sagen: Es sind solide gedrehte Filme, historisch fast genau, und ohne die im Westen oft so über- da an den Haaren herbei gezogene "action", wie man das auf Neu-Deutsch nennt. Und dem Serben Gojko Mitic mit seinem kantigen Gesicht nimmt man schon rein äußerlich den Indianer viel eher ab als dem Franzosen Pierre Brice mit seinen weichen Gesichtszügen.

(Fortsetzung folgt)

Heute spielt der alternde Gojko Mitic den "Winnetou" bei den Carl-May-Festspielen in Bad Segeberg... der Westen hat gesiegt - na bravo!

Links:
Biography on the Seminole War Chief 'Osceola' (anonym)
An American Hero: Tecumseh. A Brief Biography (von Devin Bent)
Chief Pontiac's siege of Detroit (von Jenny Nolan)

zurück zu Winnetou

heim zu Die [un]schöne Welt der Illusionen