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Das Wolinierlied

Aus Wolinien sind vertrieben alle Deitschen arm und reich,
keiner ging den Weg auf Rosen, alle waren sie jetzt gleich.

Sonntag frieh, am fimften Juli, gerade zu der Erntezeit,
mussten weg die Vielgeplagten, alle, arm' und reiche Leit'!

Angespannt und schwer beladen stand der Wagen vor der Tir,
manche Sachen, oh wie schade, blieben hier noch liegen mir.

Vorwärts gings durch Sturm und Wetter, auf Befehl der Obrigkeit,
keiner fand jetzt einen Retter, der ihn aus der Not befreit.

So gings vorwärts durch die Wälder, iber Hiegel, Berg und Tal,
iber Felder und durch Städte und durch Derfer ohne Zahl.

Auf den Stremen statt mit Dampern fuhren wir in einem Kahn,
und auf Wegen mancher Arten, dann zuletzt per Eisenbahn.

Auf dem langen Triebsalswege kam der Tod, hielt gleichen Schritt,
kleine Kinder, alte Leite, Jugendbliete nahm er mit.

Es ist gar nicht zu beschreiben diese große Triebsalszeit.
Jeden drickten schwere Sorgen. Ach, wann endet doch das Leid?

Endlich ist der Tag gekommen, da wir in Sibirien hier
freindlich wurden aufgenommen, fanden Wohnung, Nachtquartier.

Haben hier bei russ'schen Leiten Obdach fier die Winterzeit.
So sorgt Gott in schweren Zeiten, ihm sei Dank in Ewigkeit!

Was vergangen und geschehen, hat ein jeder schon gefiehlt,
aber wies uns noch wird gehen, ist uns allen hier verhillt.

Doch das eine ist uns sicher, dass es geht nach Gottes Rat.
Er ist ja der rechte Richter, der noch nie gefehlet hat.

Er wird ja die Seinen schitzen in der großen Triebsalszeit:
sollten gleich die Berge stirzen und uns droh'n die Ewigkeit.

Das hat Gott vor allen Zeiten jedem Glaib'gen kundgetan
und er will auch uns bereiten ein gelobtes Kanaan.

Drum getrost in trieben Stunden, gehts auch gleich durch schweres Leid,
denn darinnen hat gefunden mancher seine Seligkeit.

Gott fiehrt zwar auch seine Kinder oft in großes Herzeleid,
damit doch ein jeder Sinder denke an die Ewigkeit.






Wolynierlied, Wolhynierlied [1] = Wolinierlied; Wolynien, Wolhynien = Wolinien; Deutschen = Deitschen; Weg = Weech; Sonntag = Sonntach; früh = frieh; fünften = fimften; zu = ssu; Erntezeit = Erntesseit; weg = wech; Vielgeplagten = Vielgeplachten; Leut' = Leit'; Wagen = Waghen; Tür = Tir; liegen = liejen, liegen; über = iber, ieber; Hügel = Hiejel, Hiegel; Berg = Berch; Dörfer = Derfer; Zahl = Ssahl; Strömen = Stremen; Dampfern = Dampern; Wegen = Wejen; zuletzt = ssuletzt; Trübsalswege = Triebsalsweje, Triebsalswege; Leute = Leite; Jugendblüte = Jujendbliete, Jugendbliete; Trübsalszeit = Triebsalssseit, Tiebsalszeit; drückten = drickten; Tag = Tach; freundlich = freindlich; Leuten = Leiten; für = fier; Winterzeit = Wintersseit; sorgt = sorcht; Zeiten = Sseiten; gefühlt = gefiehlt; gehen = jehen, gehen; verhüllt = verhillt; geht = jeht, geht; schützen = schitzen; Berge = Berge, Berje; stürzen = stirzen; Gläub'gen = Glaib'jen, Glaib'gen; trüben = trieben; führt = fiehrt; zwar = sswar; Sünder = Sinder






Das Wolinierlied (2)

Aus Wolinien sind vertrieben alle Deitschen arm und reich,
keiner ging den Weech auf Rosen, alle waren sie jetz gleich.

Sonntach frieh, am fimften Juli, gerade ssu der Erntesseit,
mussten wech die Vielgeplachten, alle, arm' und reiche Leit'!

Anjespannt und schwer beladen stand der Waghen vor der Tir,
manche Sachen, oh wie schade, blieben hier noch liejen mir.

Vorwärts gings durch Sturm und Wetter, auf Befehl der Obrigkeit,
keiner fand jetzt einen Retter, der ihn aus der Not befreit.

So gings vorwärts durch die Wälder, iber Hiejel, Berch und Tal,
ieber Felder und durch Städte und durch Derfer ohne Ssahl.

Auf den Stremen statt mit Dampern fuhren wir in einem Kahn,
und auf Wejen mancher Arten, dann ssuletzt per Eisenbahn.

Auf dem langen Triebsalsweje kam der Tod, hielt gleichen Schritt,
kleine Kinder, alte Leite, Jujendbliete nahm er mit.

Es ist gar nich ssu beschreiben diese große Triebsalssseit.
Jeden drickten schwere Sorjen. Ach, wann endet doch das Leid?

Endlich ist der Tach jekommen, da wir in Sibirien hier
freindlich wurden aufjenommen, fanden Wohnung, Nachtquartier.

Haben hier bei russ'schen Leiten Obdach fier die Wintersseit.
So sorcht Gott in schweren Sseiten, ihm sei Dank in Ewigkeit!

Was vergangen und geschehen, hat ein jeder schon jefiehlt,
aber wies uns noch wird jehen, ist uns allen hier verhillt.

Doch das eine ist uns sicher, dass es geht nach Gottes Rat.
Er ist ja der rechte Richter, der noch nie gefehlet hat.

Er wird ja die Seinen schitzen in der großen Triebsalssseit:
sollten gleich die Berje stirzen und uns droh'n die Ewigkeit.

Das hat Gott vor allen Sseiten jedem Glaib'jen kundgetan
und er will auch uns bereiten ein gelobtes Kanaan.

Drum getrost in trieben Stunden, gehts auch gleich durch schweres Leid,
denn darinnen hat jefunden mancher seine Seligkeit.

Gott fiehrt sswar auch seine Kinder oft in großes Herzeleid,
damit doch ein jeder Sinder denke an die Ewigkeit.




Last Modified: 14 November 2004
Page Started: 14 March 2002