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FLUGBLATT Oktober 2003

Feuerwache bleibt!
Wer will den Brand sonst löschen?


Laut verschiedener Presseartikel und Verlautbarungen der Fraktionen des Saarbrücker Stadtrats ist nun die Alte Feuerwache, das einzige alternative und selbstverwaltete Politik- und Kulturzentrum im Saarland, ins Visier der Saarbrücker Rotstift-PolitikerInnen geraten. Neben anderen, zum Abschuss freigegebenen Projekten und Räumlichkeiten soll auch diese der städtischen Ökonomisierung zum Opfer fallen. Wir, die Gruppen und Menschen, die die Feuerwache nutzen, wollen allerdings an diesem gemeinsamen Ort der Diskussion und politischen Bildung, des Feierns und Zusammenkommens festhalten. Dafür sind wir bereit zu streiten und zu kämpfen.

Und dann hauen wir mit dem Hämmerchen das Sparschwein ... !
Es ist überall zu hören und zu lesen: "es muß gespart werden !", "der Gürtel gehört enger geschnallt !". Doch die VerkünderInnen dieser Botschaften bleiben uns meist eine einleuchtende Erklärung schuldig. Der Kern der Spar- und Kürzungspolitik wurde neulich von dem Vorsitzenden der Jungen Union, Phillip Missfelder, auf den Punkt gebracht: er schlug vor, älteren Menschen medizinische Leistungen zu verweigern. Diese Aussage verdeutlicht, worum es der offiziellen Politik geht: Menschen werden darauf reduziert, ob und wie sie für die kapitalistische Gesellschaft verwertbar sind. "Hartz - Papiere" und "Agenda 2010" sind lediglich wohlklingendere Begriffe für die Durchsetzung dieser Logik. Mit rasantem Tempo werden Beschlüsse gefasst wie Krankenhausbetten zu streichen, Löhne zu kürzen, Arbeitslose zu schikanieren, Flüchtlinge abzuschieben oder die medizinische Grundversorgung einzuschränken (demnächst vielleicht ganz abzuschaffen).
Es ist unbestritten, dass es aufgrund der technischen Errungenschaften möglich wäre, der gesamten Menschheit ein Leben in relativem Wohlstand zu sichern. Anstatt diese Tatsache in den Mittelpunkt aller Anstrengungen zu stellen, wird sie einer öffentlichen Diskussion entzogen. Die durch totale Ökonomisierung bedingte Verelendung hat in anderen Gegenden der Erde bereits ein viel verheerenderes Ausmaß erreicht. Kapitalistische Logik und Wirtschaftsordnung haben sich weltweit durchgesetzt.
Die Abschaffung sozialer Räume passt genau in diesen Kontext. Die Alte Feuerwache und die darin wirkenden Menschen passen nicht in das Konzept einer marktkonform durchorganisierten Stadt. Die Bedürfnisse und Interessen der Betroffenen interessieren herzlich wenig.

Our house - in the middle of the street
Für viele ist die Alte Feuerwache nicht mehr aus ihrem Alltag wegzudenken. Und wir werden dem geplanten Rauswurf aus der Feuerwache entgegentreten, da er uns auf vielfältige Weise betrifft. Es geht darum politische Entscheidungen, die allein der ökonomischen Verwertungslogik geschuldet sind nicht ständig und immer öfter ohnmächtig hinzunehmen. Ob bei den Einschnitten im sozialpolitischen, gesundheitspolitischen oder arbeitspolitischen Bereich - nirgends ist in diesem Land relevanter Protest oder gar Widerstand zu verzeichnen. Dadurch scheint sich die Logik des Marktes gegenüber der Idee einer menschenwürdigen Gesellschaft zu verewigen.
Der geplante Rauswurf betrifft unser politisches Selbstverständnis, da wir unabhängig von staatlich institutionalisierten Autoritäten unser Leben als politische Angelegenheit begreifen. Emanzipatorische Veränderungen entwickeln sich nicht in Absprache mit dem Staat. Sie müssen, wenn nicht anders möglich, gegen diesen durchgesetzt werden.
Die Alte Feuerwache ist konkreter Bestandteil unseres Versuches, dem vom Staat und dem Großteil der Gesellschaft (re-)präsentierten Autoritäts- und Verwertungsgedanken eine Alternative entgegenzusetzen.
Es betrifft auch den eigenen Lebensraum jedes Individuums, welches sein Leben mit der Alten Feuerwache in Verbindung setzt. Sei es durch den Besuch von Veranstaltungen, aus Interesse an politischen Informationen oder des Austausches über politische oder philosophischen Themen wegen.

Deswegen sind jetzt alle NutzerInnen, BesucherInnen und FreundInnen der Alten Feuerwache gefragt. Nervt die zuständigen Behörden! Macht euer Interesse an der Alten Feuerwache deutlich! Kommt zu den Treffen und überlegt euch, welchen Teil ihr zum Erhalt der Alten Feuerwache beitragen wollt!
Wir bleiben in der Alten Feuerwache!


Tretet mit uns in Kontakt: Antifa Saar/Projekt AK Postfach 103 207 66032 Saarbrücken
Tel./Fax 0681-3907240
antifasaar@yahoo.de
www.antifa-saar.de.vu

Oktober 2003
ANTIFA SAAR/PROJEKT AK

Seit 1982 existiert das selbstverwaltete Projekt "Alte Feuerwache" am Landwehrplatz in Saarbrücken.
Selbstverwaltung heißt Unabhängigkeit von staatlichen und städtischen Institutionen, was die Inhalte der Aktivitäten im Haus angeht, genauso wie die Regelungen bezüglich gemeinsamer Nutzung der Räumlichkeiten und der Aufnahme neuer Mitglieder.
Selbstverwaltung heißt aber auch Eigenverantwortung, und unter Umständen eine Menge Arbeit; heißt Engagement und Flexibilität.

Der oppositionelle Charakter des Projektes braucht die Selbstverwaltung, die nicht immer und für alle selbstverständlich ist.

Die Räume in der Alten Feuerwache könnten einen Abriß alternativer und linker Geschichte der letzten 20 Jahre in Saarbrücken erzählen, in ihrer Nutzung und Gestaltung spiegelt sich ein Ausschnitt sozialer, politischer und kultureller Veränderungen. Sie beherbergten Initiativen wie die Frauen-Notrufgruppe, den VSJS, das Netzwerk Saar, die Fahrradinitiative, und der große Gemeinschaftsraum im 2. Stock heißt immer noch "Kinosaal", weil hier in den ersten Jahren die Kinowerkstatt ihre Filme zeigte.

Das Gebäude erlebte Zeiten ruhiger Betriebsamkeit und große Mobilisierungen, So etwa Protestveranstaltungen der Kurden und Kurdinnen gegen den Krieg der türkischen Militärs in Kurdistan, Mobilisierungen gegen die Aufmärsche und Kundgebungen neofaschistischer Gruppen und unterschiedliche Aktionen zu den verschiedenen Kriegen der letzten 21 Jahre.

Manche Aktivitäten und Vorkommnisse einten die unterschiedlichen Initiativen. Wie die Räumung des besetzten Hauses Nassauer Straße 16 am 14.06.1989 und die staatliche Repression gegen den Kurdischen Kulturverein, die die Feuerwache im Mai 1994 in die Schlagzeilen brachte, als ein Kommando der GSG-9 ein regionales Treffen des Vereins stürmte.

An anderen Fragen entzündeten sich Interessenskonflikte, so etwa am Umgang mit Drogenkonsument/innen oder der Instandhaltung des Hauses.

Trotz aller Probleme: Das Projekt bietet nach wie vor eine Infrastruktur für soziale, politische und kulturelle Aktivitäten.

Der Verein Alter Feuerdrache e.V. ist Mitglied in Netzwerk Selbsthilfe Saar e.V.

www.altefeuerwache.de.vu


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