Nach dem Besuch der Jesuitenschule leistet er seinen Militärdienst in einem Fliegerregiment - und fand so seinen Beruf: 1926 übernahm er als Pilot der Gesellschaft Latécoère die Linie Toulouse - Casablanca (»Südkurier«). Schon zwei Jahre später wurde er Direktor der Luftpost von Buenos Aires (»Nachtflug«) und danach wieder Versuchsflieger.
Im Jahre 1935 stürzte er zusammen mit seinem Mechaniker Prévot über der ägyptischen Wüste ab -eine Episode, die in seinem Buch »Wind, Sand und Sterne« wiederkehrt. Es entstand zwei Jahre später nach einem Startunfall in Guatemala und erhielt den Großen Preis der Académie Francaise. Im Zweiten Weltkrieg emigrierte Saint-Exupéry nach der Besetzung Frankreichs in die USA; hier entstand neben »Der Kleine Prinz« und »Flug nach Arras« auch der unter dem Titel »Bekenntnis einer Freundschaft« veröffentlichte Brief an den ausgelieferten Freund Léon Werth.
Als die Alliierten 1942 in Nordafrika landeten, schloß sich »Saint-Ex« - wie ihn seine Freunde nannten - sogleich der Armee des Generals de Gaulle an. Am 31.Juli 1944 startete sein Fernaufklärer von der Insel Korsika aus zum letzten Flug: Der Pilot und Dichter kehrte nicht zurück.
Zeitlebens gab es für Saint-Exupéry nur zwei Dinge, die wichtig waren: das Fliegen und das Schreiben. Dennoch flog er nicht um des Fliegens, schrieb er nicht um des Schreibens willen. Beides war ihm wichtig als Dienst am Menschen. Alle seine Bücher, von den in dem Band »Dem Leben einen Sinn geben« zusammengefaßten Reportagen, Leitartikeln und Briefen bis zu dem mächtigen Gedankenbau der »Stadt in der Wüste« und dem berühmten »Brief an einen General«, folgen diesem Grundgedanken: dem Menschen von heute einen Halt, seinem Leben wieder Sinn und Richtung zu geben.
Es folgen nun einige Auszüge der Ausgabe des Karl Rauch Verlags in Düsseldorf. Der Text wurde ins Deutsche übertragen von Grete und Josef Leitgelb.
»Guten Tag«,
sagte der Fuchs.
»Guten
Tag«, antwortete höflich der kleine Prinz, der sich umdrehte,
aber nichts sah.
»Ich bin
da«, sagte die Stimme, »unter dem Apfelbaum...«
»Wer bist
du?« sagte der kleine Prinz. »Du bist sehr hübsch...«
»Ich bin
ein Fuchs«, sagte der Fuchs.
»Komm und
spiel mit mir«, schlug ihm der kleine Prinz vor. »Ich bin so
traurig...«
»Ich kann
nicht mit dir spielen, sagte der Fuchs. »Ich bin noch nicht gezähmt!
«
»Ah, Verzeihung!«
sagte der kleine Prinz.
Aber nach einiger
Überlegung fügte er hinzu:
»Was bedeutet
zähmen?«
»Du bist
nicht von hier«, sagte der Fuchs, »was suchst du?«
»Ich suche
die Menschen«, sagte der kleine Prinz. »Was bedeutet zähmen?«
»Die Menschen«,
sagte der Fuchs, »die haben Gewehre und schießen. Das ist sehr
lästig. Sie ziehen auch Hühner auf. Das ist ihr einziges Interesse.
Du suchst Hühner?«
»Nein«,
sagte der kleine Prinz, »ich suche Freunde. Was heißt zähmen?«
»Zähmen,
das ist eine in Vergessenheit geratene Sache«, sagte der Fuchs. »Es
bedeutet, sich vertraut machen.«
»Vertraut machen?«
»Gewiß«,
sagte der Fuchs. »Noch bist du für mich nichts als ein kleiner
Junge, der hunderttausend kleinen Jungen völlig gleicht. Ich brauche
dich nicht und du brauchst mich ebensowenig. Ich bin für dich nur
ein Fuchs, der hunderttausend Füchsen gleicht. Aber wenn du mich zähmst,
werden wir einander brauchen. Du wirst für mich einzig sein in der
Welt. Ich werde für dich einzig sein in der Welt...«
»Ich beginne
zu Verstehen, sagte der kleine Prinz. »Es gibt eine Blume... ich
glaube, sie hat mich gezähmt...«
»Das ist
möglich, sagte der Fuchs. »Man trifft auf der Erde alle möglichen
Dinge...«
»Oh, das
ist nicht auf der Erde«, sagte der kleine Prinz.
Der Fuchs schien
sehr aufgeregt:
»Auf einem
anderen Planeten?«
»Ja.«
»Gibt es
Jäger auf diesem Planeten?«
»Nein.«
»Das ist
interessant! Und Hühner?«
»Nein.«
»Nichts
ist vollkommen! « seufzte der Fuchs.
Aber der Fuchs
kam auf seinen Gedanken zurück:
»Mein Leben
ist eintönig. Ich jage Hühner, die Menschen jagen mich. Alle
Hühner gleichen einander, und alle Menschen gleichen einander. Ich
langweile mich also ein wenig. Aber wenn du mich zähmst, wird mein
Leben wie durchsonnt sein. Ich werde den Klang deines Schrittes kennen,
der sich von allen andern unterscheidet. Die anderen Schritte jagen mich
unter die Erde. Der deine wird mich wie Musik aus dem Bau locken. Und dann
schau! Du siehst da drüben die Weizenfelder? Ich esse kein Brot. Für
mich ist der Weizen zwecklos. Die Weizenfelder erinnern mich an nichts.
Und das ist traurig. Aber du hast weizenblondes Haar. Oh, es wird wunderbar
sein, wenn du mich einmal gezähmt hast! Das Gold der Weizenfelder
wird mich an dich erinnern. Und ich werde das Rauschen des Windes im Getreide
liebgewinnen.«
Der Fuchs verstummte
und schaute den kleinen Prinzen lange an.
»Bitte...zähme
mich!« sagte er.
»Ich möchte
wohl«, antwortete der kleine Prinz, »aber ich habe nicht viel
Zeit. Ich muß Freunde finden und viele Dinge kennenlernen.«
»Man kennt
nur die Dinge, die man zähmt«, sagte der Fuchs. »Die Menschen
haben keine Zeit mehr, irgend etwas kennenzulernen. Sie kaufen sich alles
fertig in den Geschäften. Aber da es keine Kaufläden für
Freunde gibt, haben die Leute keine Freunde mehr. Wenn du einen Freund
willst, so zähme mich! «
"Was muß
ich da tun?« sagte der kleine Prinz.
»Du mußt
sehr geduldig sein, antwortete der Fuchs. »Du setzt dich zuerst ein
wenig abseits von mir ins Gras. Ich werde dich so verstohlen, so aus dem
Augenwinkel anschauen, und du wirst nichts sagen. Die Sprache ist die Quelle
der Mißverständnisse. Aber jeden Tag wirst du dich ein bißchen
näher setzen können...«
Am nächsten
Morgen kam der kleine Prinz zurück.
»Es wäre
besser gewesen, du wärst zur selben Stunde wiedergekommen, sagte der
Fuchs. »Wenn du zum Beispiel um vier Uhr nachmittags kommst, kann
ich um drei Uhr anfangen, glücklich zu sein. Je mehr die Zeit vergeht,
um so glücklicher werde ich mich fühlen. Um vier Uhr werde ich
mich schon aufregen und beunruhigen; ich werde erfahren, wie teuer das
Glück ist. Wenn du aber irgendwann kommst, kann ich nie wissen, wann
mein Herz da sein soll...Es muß feste Bräuche geben.«
»Was heißt
fester Brauch?« sagte der kleine Prinz.
»Auch etwas
in Vergessenheit Geratenes«, sagte der Fuchs. »Es ist das,
was einen Tag vom andern unterscheidet, eine Stunde von den andern Stunden.
Es gibt zum Beispiel einen Brauch bei meinen Jägern. Sie tanzen am
Donnerstag mit den Mädchen des Dorfes. Daher ist der Donnerstag der
wunderbare Tag. Ich gehe bis zum Weinberg spazieren. Wenn die Jäger
irgendwann einmal zum Tanze gingen, wären die Tage alle gleich und
ich hätte niemals Ferien.«
So machte denn
der kleine Prinz den Fuchs mit sich vertraut. Und als die Stunde des Abschieds
nahe war:
»Ach!«
sagte der Fuchs, »ich werde weinen.«
»Das ist
deine Schuld«, sagte der kleine Prinz, »ich wünschte dir
nichts Übles, aber du hast gewollt, daß ich dich zähme...«
»Gewiß«,
sagte der Fuchs.
»Aber nun
wirst du weinen!« sagte der kleine Prinz.
»Bestimmt«,
sagte der Fuchs.
»So hast
du also nichts gewonnen!«
»Ich habe«,
sagte der Fuchs, »die Farbe des Weizens gewonnen.«
Dann fügte
er hinzu:
»Geh die
Rosen wieder anschauen. Du wirst begreifen, daß die deine einzig
ist in der Welt. Du wirst wiederkommen und mir adieu sagen, und ich werde
dir ein Geheimnis schenken.«
Der kleine Prinz
ging, die Rosen wiederzusehen.
»Ihr gleicht
meiner Rose gar nicht, ihr seid noch nichts,« sagte er zu ihnen.
»Niemand hat sich euch vertraut gemacht, und auch ihr habt euch niemandem
vertraut gemacht. Ihr seid, wie mein Fuchs war. Der war nichts als ein
Fuchs wie hunderttausend andere. Aber ich habe ihn zu meinem Freund gemacht,
und jetzt ist er einzig in der Welt.«
Und die Rosen
waren sehr beschämt.
»Ihr seid
schön, aber ihr seid leer«, sagte er noch. »Man kann für
euch nicht sterben. Gewiß, ein Irgendwer, der vorübergeht, könnte
glauben, meine Rose ähnle euch. Aber in sich selbst ist sie wichtiger
als ihr alle, da sie es ist, die ich begossen habe. Da sie es ist, die
ich unter den Glassturz gestellt habe. Da sie es ist, die ich mit dem Wandschirm
geschützt habe. Da sie es ist, deren Raupen ich getötet habe
(außer den zwei oder drei um der Schmetterlinge willen). Da sie es
ist, die ich klagen oder sich rühmen gehört habe oder auch manchmal
schweigen. Da es meine Rose ist.«
Und er kam zum
Fuchs zurück.
»Adieu«,
sagte er...
»Adieu«,
sagte der Fuchs. »Hier mein Geheimnis. Es ist ganz einfach: Man sieht
nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar.«
»Das Wesentliche
ist für die Augen unsichtbar«, wiederholte der kleine Prinz,
um es sich zu merken.
»Die Zeit,
die du für deine Rose verloren hast, sie macht deine Rose so wichtig.«
»Die Zeit,
die ich für meine Rose verloren habe ... «, sagte der kleine
Prinz, um es sich zu merken.
»Die Menschen
haben diese Wahrheit vergessen«, sagte der Fuchs. »Aber du
darfst sie nicht vergessen. Du bist zeitlebens für das verantwortlich,
was du dir vertraut gemacht hast. Du bist für fürdeine Rose verantwortlich
. . . «
»Ich bin
für meine Rose verantwortlich...«, wiederholte der kleine Prinz,
um es sich zu merken.