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16.03.99 
Feuilleton 

Dumm - dümmer - Kino 

Ein Streifzug durch das Münchner Filmprogramm / Von Herbert Achternbusch 

Um gleich das Schlimmste zu sagen: Stanley Kubrick ist tot, ein Filmidiot weniger. Irgendwann habe ich aufgehört, seinen Schmarren anzusehen und zu bewundern. Ebenso erging es mir mit Volker Schlöndorff, der jetzt öffentlich dem Autorenfilm nachjammert, den er, fleißig wie ein Regieassistent, selbst zu Tode palavert hat. 

Habe in letzter Zeit alles an Filmen gesehen, was in den Kinos läuft, außer "Mulan", den hob ich mir für meine Tochter auf. Was läuft im ABC? "Pünktchen und Anton". Nein, den tue ich mir nicht an. Caroline Links Taubstummenfilm hat mich fast noch mehr gelangweilt als "Broken Silence", der immer noch irgendwo läuft. Wo hapert's bei den Leuten, daß sie sich an diese Tranglocken hängen? Sie müssen da Töne hören, die völlig erstickt sind. 

Im Arri läuft "Late Show". Damit wollte ich eigentlich beginnen, wie unerträglich häßlich unser Sonnyboy Gottschalk ist, unbegabt bis zum Erbarmen. Ich mag ihn, weil man ihm immer noch zutrauen mag, was man anderen nie zutraut, daß er vielleicht nicht bis ins Arschloch ein Depp ist. Der Regisseur Dietl ist es gewiß, wenn er schon mit seiner liederlichen Visage herumhängt und bedeutungsvoller schaut als sein lappriges Zelluloid. Schon in "Rossini" das Gejammere, kein Künstler zu sein, aber ein Künstler sein zu wollen, mit seinem Wortschuhwerk Süskind: ich glaube doch gern, daß ihr keine Löcher in den Schuhsohlen habt, warum tut ihr dann so als hättet ihr welche nach einem langen Weg. Für euren kurzen Weg furzt ihr zuviel. 

Am Atelier stehen die "Siebtelbauern" herum, dreckige Leute, am Körper die Armen, in der Seele die Reichen. Daran ist das Idiotische, daß es sich um einen Film handle, ein gestandener Murks von Bewegungslosigkeit und Hauruck, aber was aus Österreich kommt, muß ja immer ein wenig was Besseres sein - wie früher aus der DDR. Von diesen Mindernationen liebte man das Abgestandene. 

Im Atlantic läuft "Meschugge", ich glaube, das tue ich mir gar nicht mehr an, Feuer soll in dem Film vorkommen, interessant. Sicher läuft auch jemand über die Straße. Und wenn sich nicht ein Auto überschlägt, esse ich ein Eis. 

Im City läuft "Shakespeare in Love". Interessant, wie man so einem schmalgesichtigen Idiotenkopf das Genie eines Shakespeare zutraut. Aber der Schauspieler ist sehr beweglich, während seine Partnerin schnell fade wird. Daß mit der jemand schlafen will? Da muß man schon eine große Schreibhemmung haben. Ebenfalls im City "Schwarze Katze, weißer Kater", eine unerträgliche Zigeunerromanze. Der Film ist so tüchtig, daß einem schlecht wird. Für "Central Station" habe ich keine Erinnerung mehr, irgendwie ein Abendhimmel - mit was allem diese Filmtrottel meinen, Geld machen zu können. 

Im Gloria läuft "Das Große Krabbeln" - warum nicht? Wer das Schauspielergesichtgetue satt hat, kann sich bei diesen toten Ameisenköpfen beruhigen. An das "Schweinchen Babe in der großen Stadt" kommt er nicht heran, das steigert sich bis zur Tashlin-Qualität. 

Was soll ich zu "e-mail für dich" sagen, wenn nichts hängen geblieben ist als der häßliche Hals von Tom Hanks? Daß man einen so häßlichen Hals auch noch so häßlich zeigt! 

Rote Rose im grauen Allerlei 

Es laufen ja in den vielen Kinos sehr oft dieselben Filme, das erleichtert die Auswahl und mindert das Angebot. Selbst in den 12 Kinos des Maxx läuft kein Film, der in einem anderen Kino nicht liefe. Kinder, wir sind unter uns. Wir freuen uns. In "Pleasantville" sah ich auch mich gut aufgehoben. Und wie die Schwarzweißbilder Farbe bekommen, ist reizend, auch für mich als Maler, da eine rote Rose im grauen Allerlei, dort ein zartfarbiger Regenschirm, die Gesichter dumm und nett, in Farbe noch mehr. So einen blöden Film habe ich noch nie gesehen, sagte ein Junge nach der Vorführung, und der hat garantiert nur dumme Filme gesehen. Wahrscheinlich müßte ich mir noch "Jack Frost" ansehen, da wird nämlich ein geliebter Vater, der zu Tode kommt, in der Wiedergeburt ein Schneemann, so habe ich's im Trailer gesehen. Das ist bestimmt Sahne auf das, was ich meine. Und ich gestehe es gerne: Wenn ich mal im Kino sitze, gewinne ich dem Film immer etwas ab, denn schließlich ist meine Seele groß genug, das alles zu verstehen. Nur "Shining" von Kubrick habe ich als einzigen Film je verlassen. 

Im Odyssee läuft immer noch "Aimée & Jaguar", dieses Und-Zeichen ist das Originellste daran. Nun weiß ich, daß Lesben auch mit Sex was vorhaben, ich dachte das anders. Und die gute alte Frau, auf die die Geschichte zurückgeht, freut sich auch. Stellt euch vor, im Dritten Reich werden Juden umgebracht - das wird jetzt nicht nur publik, sondern gleich ein Gassenhauer, da tut's nicht mehr weh. So ein lächerlicher wie gerissener Film "Das Leben ist schön" bekommt hoffentlich den Oscar für den besten ausländischen Film, damit diese Goldgrube auch noch einen goldenen Deckel hat. Zum Kotzen ist dieser Film nicht, er ist nur läppisch. Wo es viel zu zeigen gibt, ist er weitwinklig, damit die Toskana auch viel hergibt, es wird zu schnell geradelt und zu schnell geschwenkt. Dann sind wir in einem KZ, und alles ist so schön unglaublich, daß sich der ehemalige KZ-Häftling Imre Kertecz freut über das Märchenhafte. Meinetwegen, für mich ist das eine Gemeinheit. 

Daß "Buffalo 66" immer noch läuft, ist erstaunlich - ach so, läuft nicht mehr. "American History X" läuft in einem Bumskino. Jugendliche Kahlköpfe mußten immer wieder austreten, wahrscheinlich holten sie sich nach einer jeden Brutalität einen runter. Aber der Film hat's in sich. Die Kritiker fanden ihn bedenklich. Wahrscheinlich hat er ihre unangestrengten Gehirne verrenkt. Und "Der schmale Grat", den einer gemacht hat, der 20 Jahre keinen Film mehr gemacht hat? Da beißt es ja gleich aus, wenn man unisono die Naturverbundenheit bewundert, wenn die Augen der Sterbenden auf überstrahlte Baumwipfel gerichtet werden, daß man gleich denkt, es geht mit dem Jäger im Silberwald weiter. Ein lyrischer Grünling im Spiegel holte sich gleich nicht mehr ein. Er faselte, als hätte er noch nie einen Hölderlin, einen Romantiker oder gar Buddhisten gelesen. Bei den ruhigen Szenen, die nicht nur ruhig, sondern fad waren, quengelten Jugendliche, weil's nicht weiter ging mit dem Massakrieren. Daß der Regisseur sich in der Öffentlichkeit nicht sehen läßt, verstehe ich - er scheint sich seiner Wichtigtuerei zu schämen. Und was ist von Spielbergs "Soldaten Ryan" geblieben außer der Erkenntnis, daß auch Fische sterben, die nach der gerühmten Eingangssequenz tot am Strand liegen? 

Gefallen hat mir nur "Payback". Nur Mel Gibson ist gut genug, die Scheiße, in der das Kino steckt, nicht nur zu überspielen, sondern die Scheiße ganz cool zu spielen, die ganze Scheiße. 

Der Autor ist Filmemacher und lebt in München. 

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