Franz Josef Degenhardt

Väterchen Franz



Franz Josef Degenhardt Liedermacher, Schriftsteller und Rechtsanwalt; Dr. jur.

Franz Josef Degenhardt wurde am 3. Dez. 1931 in Schwelm/Westfalen geboren. Er wuchs in einer "militant katholischen und antifaschistischen Familie" mit fruehen Bezuegen zum sozialistischen Milieu auf. In Schwelm besuchte D. die Volksschule und das Gymnasium (1952 Abitur). Anschliessend studierte er 1952-1956 in Freiburg und Koeln Rechtswissenschaften. 1956 legte er das Erste, 1960 das Zweite juristische Staatsexamen ab. 1961 ging D. als wissenschaftlicher Assistent an das Institut fuer Europaeisches Recht der Universitaet Saarbruecken, wo er 1966 mit der Dissertation "Die Auslegung und Berichtigung von Urteilen des Gerichtshofs der Europaeischen Gemeinschaften" zum Dr. jur. promovierte.

Gegen Ende des Jahres 1968 begann D., sich verstaerkt mit Prozessen gegen Mitglieder der Ausserparlamentarischen Opposition (APO) zu beschaeftigen. Auf eine moegliche Habilitation verzichtend, ging er 1969 nach Hamburg. In Hamburg liess sich Degenhardt gemeinsam mit K. Groenewold und W. D Reinhardt als Anwalt nieder. Er uebernahm vorrangig die Verteidigung von Sozialdemokraten und Kommunisten. Als Mitglied der SPD (seit 1961) trat Degenhardt nach der Neukonstituierung der Kommunistischen Partei fuer eine Zusammenarbeit von Sozialdemokraten und Kommunisten ein. Als Folge des sogenannten Unvereinbarkeitsbeschlusses des Parteivorstandes der SPD vom November 1970, der jede Aktionsgemeinschaft mit Kommunisten mit Parteiordnungsverfahren bedrohte, wurde Degenhardt im Juli 1971 aus der SPD ausgeschlossen.

Er hatte im vorangegangenen schleswig-holsteinischen Landtagswahlkampf die Wahl der DKP unterstuetzt. Zum Vorwurf mangelnder Solidaritaet mit seiner Partei erklaerte Degenhardt, er empfinde "Solidaritaet mit den rechten Parteifuehrern vom Schlage der Herren Schmidt, Schiller und Leber als Zumutung" (FAZ, 23.7.1971). In den folgenden Jahren war Degenhardt ein "parteiloser Anhaenger eines Volksfrontbuendnisses". 1978 wurde er Mitglied der DKP.

F.J.Degenhardt, U. Hagemann + Kai Degenhardt Der "singende Anwalt" und "schreibende Barde" Degenhardt, wie DIE ZEIT (31.1.1986) ihn nannte, ist weniger durch seine Romane als durch seine Lieder bekanntgeworden. Sein erster grosser Erfolg war 1965 "Spiel nicht mit den Schmuddelkindern". Mit den Ereignissen des Jahres 1967 (Studentenbewegung, Notstandsgesetzgebung, Gespraeche mit Wolfgang Neuss, Rudi Dutschke, Wolf Biermann, Dietrich Kittner und Dieter Sueverkruep) draengten Degenhardts Lieder auf Veraenderung: Titel mit direkten politischen "Handlungsanweisungen" und Aufarbeitungen politisch-historischer Erfahrungen wie Kritik an den herrschenden gesellschaftlichen Zustaenden in der Bundesrepublik wechselten sich ab. Vorbilder fand der Protestsaenger in Villon, Wedekind, Brecht, Tucholsky und Ringelnatz

Zeitgenoessische Einfluesse gingen von Guthrie und Georges Brassens aus. Die (Gitarren-)Musik ordnete sich in der Regel den im Parlando-Stil vorgetragenen Texten unter. Seit der LP "Wildledermantelmann" (1977) liess sich Degenhardt von verschiedenen Musikinstrumenten begleiten. Ueber die Zusammenarbeit mit Gruppen wie "Ougenweide" und "Randy Pie" kam D. 1977 zur Formierung einer eigenen Band, mit der er auch seine Tourneen bestritt.

Auch in den 80er Jahren blieb Degenhardt nach Beobachtermeinung eine Art "poetisches Megaphon der westdeutschen Linken". Zynisch-heiter und von unangestrengter Schaerfe war sein Gesang auf der LP "Da muessen wir durch" (1988). Den SWF-Liederpreis erhielt Deutschlands "dienstaeltester Liedermacher" 1986 fuer "Die Lehrerin", ein Lied ueber die desillusionierte 68er-Bewegung, und 1988 fuer seine Ballade "Lied fuer die ich es sing". Das 1990 veroeffentlichte Album "Wer jetzt nicht tanzt" schwankte nach Meinung von Peter Kemper (FAZ, 27.11.1990) zwischen "weinseliger Nostalgie und beweinenswerter Prophetie".

F.J.Degenhardt + Jimmy Bowien D.s politische Geschichte ist die der Arbeiterbewegung. Eine proletarische "Wunschbiographie" schrieb er sich mit seinem ersten Roman "Zuendschnuere" (1973). Unter Verarbeitung von Jugenderinnerungen schildert er darin Ereignisse im proletarischen Milieu des Ruhrgebiets waehrend des letzten Kriegsjahres. Das Buch hatte grossen Erfolg und wurde 1974 vom WDR-Fernsehen (Drehbuch Burkhard Driest, Regie Reinhard Hauff) verfilmt. D.s zweiter Roman "Brandstellen" (1975) spielt in den 70er Jahren und hat den Kampf einer Buergerinitiative gegen einen geplanten NATO-Truppenuebungsplatz zum Thema. Die Hauptfigur des Buches ist im Ansatz autobiographisch gestaltet. Als literarischer Anstoss diente der (vergebliche) Kampf der Gemeinde Klausheide gegen den NATO-Bombenabwurfplatz "Nordhorn Range" in den Jahren 1971 bis 1973. Der Roman wurde 1977 von der DEFA (DDR) verfilmt (Drehbuch G. Bengsch, Regie H. E. Brandt). D.s dritter Roman spielt unter dem Titel "Die Misshandlung oder Der freihaendige Gang ueber das Gelaender der S-Bahn-Bruecke" im Hamburger Justizmilieu und schildert den letzten Fall des Vormundschaftsrichters Hans Doerner, der im Zusammenhang mit der unkonventionellen Aufklaerung einer Kindesmisshandlung seinen Dienst quittiert. Armin Ayren (FAZ, 5.10.1979) sprach von einem "Roman der leistet, was viele nur versprechen: die Bestandsaufnahme einer Veraenderung im politischen Klima unserer Gesellschaft, in der die Freiheiten abnehmen und die Abhaengigkeiten wachsen". F.J.DegenhardtIn "Der Liedermacher" (1982) beschreibt Degenhardt ein Jahr im Leben des Saengers Piet Atten, der versucht, sich in seiner Branche zwischen Rock, Pop und Politik, Talk-Show und Hitliste zu behaupten. Ein weiterer Roman erschien 1985 mit dem Titel "Die Abholzung".

1991 veroeffentlichte Degenhardt mit "August Heinrich Hoffmann, genannt von Fallersleben" eine in Romanform gekleidete Biographie ueber den Professor, Germanisten und Dichter des Deutschlandsliedes Hoffmann. Das Buch wurde von der Fachkritik kontrovers diskutiert.

Degenhardt ist seit 1971 Mitglied im PEN-Zentrum der Bundesrepublik Deutschland. In die Akademie der Kuenste der DDR war er 1983 als korr. Mitglied aufgenommen worden. Im Mai 1995 traten auf Initiative des Grafikers Staeck hin 62 Mitglieder des westdeutschen PEN-Zentrums dem Ost-PEN bei, darunter auch Degenhardt.



Spiel nicht mit den Schmuddelkindern



Werke:
LPs und CDs :
  • "Rumpelstilzchen" (63)
  • "Spiel nicht mit den Schmuddelkindern" (65)
  • "Vaeterchen Franz" (66)
  • "Der Senator erzaehlt" (67)
  • Degenhardt live" (68)
  • "Im Jahr der Schweine" (69)
  • "Portrait Franz Josef Degenhardt, 30 Lieder aus sieben Jahren" (70)
  • "Die Wallfahrt zum Big Zeppelin" (71)
  • "Mutter Mathilde" (72)
  • "Kommt an den Tisch unter Pflaumenbaeumen" (73)
  • "Mit aufrechtem Gang" (75)
  • "Der fruehe Degenhardt" (77, 4 LP-Kassette)
  • "Liederbuch. Franz Josef Degenhardt" Live mit Band (78; 2 LPs)
  • "Der Wind hat sich gedreht im Lande" (80)
  • "Der ganze Degenhardt" (81; alle 12 bis dahin veroeffentlichten LPs)
  • "Durch die Jahre" (81)
  • "Du bist anders als die andern" (82)
  • "Lullaby zwischen den Kriegen" (83)
  • "Vorsicht Gorilla" (85)
  • "Junge Paare auf Baenken" (86; Lieder von Georges Brassens)
  • "Da muessen wir durch" (88)
  • "Wer jetzt nicht tanzt" (90)
  • "...und am Ende wieder leben" (91)
  • "Nocturn" (93)
  • "Aus dem Tiefland" (94)
  • "...weiter im Text" (96).
    "Sie kommen alle wieder, oder?" (98).
    "Cafe nach dem Fall" (2000).
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    Textbuecher:
  • "Zwischen Null Uhr und Mitternacht" (64)
  • "Spiel nicht mit den Schmuddelkindern" (67)
  • "Vaeterchen Franz" (67)
  • "Da habt ihr es! Stuecke und Lieder fuer ein deutsches Quartett" (68)
  • "Im Jahr der Schweine. 27 Lieder mit Noten" (70)
  • "Lasst nicht die roten Haehne flattern ehe der Habicht schreit" (76)
  • "Kommt an den Tisch unter Pflaumenbaeumen. Alle Lieder von Franz Josef Degenhardt" (79).


    Romane:
  • "Zuendschnuere" (73)
  • "Brandstellen" (75)
  • "Die Misshandlung oder Der freihaendige Gang ueber das Gelaender der S-Bahn-Bruecke" (79)
  • "Der Liedermacher" (82)
  • "Die Abholzung" (85)
  • "August Heinrich Hoffmann, genannt von Fallersleben" (91)

    Literaturhinweise:
    Hermes Handlexikon, Die großen Chansonniers und Liedermacher, von Matthias Henke. Düsseldorf 1987.

    Seite erstellt am: 10.12.1997
    Seite editiert am: 27.06.2000

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